Deutsche Bahn

Antrag abgelehnt: Lokführerstreik geht weiter

Fahrgäste der Deutschen Bahn müssen weiter warten.
Fahrgäste der Deutschen Bahn müssen weiter warten. REUTERS
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Das Arbeitsgericht Frankfurt lehnte am Donnerstagabend eine Einstweilige Verfügung ab, mit der die Deutsche Bahn den Arbeitskampf stoppen wollte.

Der Streik der Lokführer bei der Deutschen Bahn kann vorerst weitergehen. Das Arbeitsgericht Frankfurt lehnte am Donnerstagabend eine Einstweilige Verfügung ab, mit der die Deutsche Bahn den Arbeitskampf stoppen wollte. Zuvor war der Versuch des Vorsitzenden Richters Volker Schulze gescheitert, mit einem Vergleich beide Seiten an den Verhandlungstisch zurückzuholen.

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hatte es erneut abgelehnt, in Gespräche einzutreten, bevor nicht ihre sämtlichen Forderungen aus dem vergangenen Mai erfüllt würden. Gegen die Entscheidung des Gerichts ist Berufung beim Landesarbeitsgericht Frankfurt möglich. Dort würde dann voraussichtlich am Freitag verhandelt. Zunächst war unklar, ob die Bahn in Berufung geht.

Ein verbessertes Angebot der Konzernleitung vom Mittwoch hatte die GDL zurückgewiesen, Verhandlungen abgelehnt und ihre dritte Streikrunde fortgesetzt. Seit Donnerstagmorgen wird auch der Personenverkehr der Bahn bundesweit bestreikt. Der Ausstand begann am Mittwochnachmittag zunächst im Güterverkehr und soll nach fünf Tagen am Dienstag enden.

Tarifangebot zurückgewiesen

Der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky wies das nachgebesserte Bahn-Tarifangebot zurück, weil es nicht für alle GDL-Mitglieder gelten solle. Nach seiner Darstellung verlangt der Staatskonzern, den Geltungsbereich eines neuen Tarifvertrags wie bislang auf das Fahrpersonal zu begrenzen. "Damit wird klar erkennbar, dass die DB einem Teil der GDL-Mitglieder ihre verfassungsgemäßen Rechte entziehen will", sagte der Gewerkschafter dem "Spiegel". Damit drohe eine Spaltung der Gewerkschaft mit Mitgliedern erster und zweiter Klasse.

"Die Zielsetzung des Bahnvorstandes ist die Existenzvernichtung der GDL", hatte Weselsky bereits am Donnerstagmorgen in Leipzig erklärt. Mit ihren rund 38.000 Mitgliedern sieht sich die GDL im scharfen Wettstreit mit der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG. Nach dem 2015 verabschiedeten Tarifeinheitsgesetz soll bei zwei Gewerkschaften in einem Betrieb nur der Tarifvertrag der größeren Arbeitnehmervertretung angewendet werden. "Ein Betrieb - ein Tarifvertrag" wird dieser Grundsatz genannt. In einem Großteil der rund 300 Bahnbetriebe ist das aus Sicht der Bahn die EVG.

Die eigentlich im Fahrbetrieb verankerte GDL sieht sich gezwungen, ihren Einfluss auch auf andere Konzerntöchter auszuweiten - und will die Bedingungen für Werkstattbeschäftigte nun ebenso regeln wie für Angestellte in der Verwaltung oder der Bahn-Infrastruktur. Das erinnert an die Auseinandersetzungen in den Jahren 2014/2015. Damals wollte die Gewerkschaft ihre Tarifhoheit auf Zugbegleiter und Rangierlokführer ausdehnen - und hatte damit nach acht Streikwellen auch Erfolg.

Die Bahn vermutet hinter dem Fünf-Tage-Streik der GDL politische und juristische Zielsetzungen, die in einem Tarifvertrag nicht regelbar seien. Auch im November 2014 klagte die Bahn gegen laufende Streiks der GDL in der damaligen Tarifrunde. Damals argumentierte die Bahn, dass der Arbeitskampf unverhältnismäßig hohen Schaden anrichte - vergeblich. Die GDL siegte in zwei Instanzen vor den Arbeitsgerichten in Frankfurt. Gewerkschaftschef Weselsky brach nach dem Triumph überraschend den laufenden Streik ab. Damals erklärte er: "Ich stehe an dieser Stelle nicht als Sieger, sondern als derjenige, der die Grundrechte der Lokomotivführer und der Zugbegleiter verteidigt hat."

„Was kann man uns vorwerfen?"

Vor der jetzigen Gerichtsentscheidung hatte sich der GDL-Chef im "Spiegel"-Interview siegessicher gezeigt: "Was kann man uns vorwerfen? Unsere Forderungen liegen seit Mai auf dem Tisch, bisher scheint es so, als hätten wir alles richtig gemacht. 2015 haben wir 109 Stunden am Stück gestreikt." Das hätten die Gerichte für zulässig gehalten.

Die Bahn hatte der Gewerkschaft am Mittwoch ein neues Angebot unterbreitet und darin eine wichtige Forderung aufgegriffen: Noch in diesem Jahr sollen die Beschäftigten eine Corona-Prämie von bis zu 600 Euro erhalten. Weselsky lehnt das Angebot auch inhaltlich ab und moniert etwa, dass es in diesem Jahr keine Lohnerhöhung geben soll.

Aus Sicht des Tarifexperten Hagen Lesch vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft kämpft die GDL erneut um ihren Status als Tarifpartner der Bahn. Demnach hätte Weselsky den Status quo bereits im vergangenen Jahr in einer Schlichtung absichern können, die schließlich scheiterte. Dann hätte man erneut eine Regelung wie 2015 finden können, mit der die Koexistenz von EVG und GDL abgesichert worden war - unter Verzicht auf die Regelungen des Tarifeinheitsgesetzes.

Einstweilige Verfügungen gegen Streiks selten

Einstweilige Verfügungen gegen Streiks werden von deutschen Gerichten sehr selten verhängt. Ein Beispiel ist die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Frankfurt, das im September 2015 in zweiter Instanz einen Streik der Vereinigung Cockpit bei der Lufthansa stoppte. Die Piloten hätten gegen die Verlagerung von Stellen an die Tochter Eurowings gestreikt, was tariflich gar nicht regelbar sei, hatte der Vorsitzende Richter Michael Horcher damals befunden.

Den Fahrgästen der Bahn bleibt nichts anderes übrig, als abzuwarten. Der Ersatzfahrplan sei am Donnerstag stabil angelaufen, teilte die Bahn mit. Das Unternehmen wollte erneut rund ein Viertel der Fernzüge fahren lassen. Im Regional- und S-Bahnverkehr wird ein Grundangebot von 40 Prozent angestrebt. "Die Streikschwerpunkte liegen im Osten und in einigen Metropolregionen. Insbesondere hier kommt es zu stärkeren Einschränkungen."

(APA/dpa)

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