Mit kontemplativer Lyrik philosophiert Levin Westermann in „farbe komma dunkel“ über Klimawandel, Artensterben und die Rolle des Einzelnen.
Provokant heißt es im Motto von Annie Dillard voran, dass in diesem Buch nichts geschehen wird, außer ein wenig Gewalt in der Sprache – dort, wo die Ewigkeit die Zeit durchschneidet (where eternity clips time). Und vordergründig stimmt das auch, „farbe komma dunkel“ des Wahlschweizers Levin Westermann, Jahrgang 1980, ist ein kontemplativer Text, dessen faktische Handlung schnell erzählt ist: Ein Ich sitzt in der französischen Pampa, denkt nach und liest, wandelt durch die Landschaft, beobachtet Tiere. Es liest in der Zeitung von der globalen Klimakatastrophe, es liest vom alltäglichen Massenmord an Tieren durch den Menschen, es liest über die Ausrottung der indigenen Inkas durch ein Virus und die (technologische) Überlegenheit der Kolonisatoren samt ihren Pferden. Es liest Gedichte – zum Trost. Denn dieses Ich, das in „farbe komma dunkel“ spricht, ist ein zutiefst einsames Ich, es wird nur noch, so wird an einer Stelle auch gesagt, von den Büchern, von der Sprache und ihrem Klang gerettet, droht ob des Kummers, den es angesichts der apokalyptischen Weltlage empfindet, die der Text anhand einiger weniger, klug gewählter Fakten überzeugend abbildet, buchstäblich dem Wahnsinn zu verfallen. Nicht zuletzt weil es weiß: Es trägt auch selbst Mitschuld daran. Aber was soll dieses Ich als Einzelnes, als Individuum gegen das Kollektiv auch ausrichten? Indes geht die Sonne unter und wieder auf, insgesamt tut sie das zweiundzwanzigmal auf den 111 im Verssatz bedruckten Seiten, aber nichts an dieser Regelmäßigkeit ist beruhigend. Das Ich weiß, ein Ereignis müsste den Gang der Dinge in Richtung Weltuntergang unterbrechen, doch immer wieder heißt es: „und nichts geschieht.“ Was bleibt, ist die Frage: „und was kann man tun / was ist zu tun / frage ich die schafe.“