Schmuggler in der Türkei und im Iran haben ein lukratives System aufgezogen, um Afghanen nach Europa zu schleusen.
Khalid und seine vier Freunde kauern im dunklen Abwassertunnel unter den Eisenbahngleisen zwischen Plastiksäcken, leeren Wasserflaschen und zerrissenen Chipsbeuteln. Entsetzt blicken sie auf den Fremden, der ihnen entgegenkommt. „Bitte melden Sie uns nicht der Polizei“, fleht Khalid, der als Einziger Englisch spricht. „Wenn wir zurück nach Afghanistan müssen, werden wir getötet.“ Er hat als Schneider in Kabul für das amerikanische und britische Militär gearbeitet, wie er erzählt. Und nun hat Khalid keinen Job mehr und fürchtet, dass sich die Taliban für die „Kollaboration mit dem Feind“ an ihm rächen. Die jungen Männer, alle Anfang zwanzig, freuen sich über frisches Trinkwasser und ein paar Snacks. „Wir haben vier Tage nichts gegessen und zwei Tage nichts getrunken“, berichtet Khalid. Er hat eine lange Reise hinter sich.
Schon vor dem Siegeszug der Islamisten haben Khalid und seine Freunde Afghanistan verlassen. Sie sind über Pakistan in den Iran gereist und haben mithilfe von Schmugglern die türkische Grenze überquert. „Der ganze afghanische Staat ist korrupt, und mit den Taliban wird jetzt alles noch schlimmer“, glaubt der Schneider. Er will nach Europa, am liebsten nach Deutschland.