Immer mehr Schüler bleiben zu Hause – nicht wegen Corona, sondern weil ihre Familien sich für Home-Schooling entschieden haben. Eine Schulpflicht hat das Land nicht.
Jegor hatte es versucht. Er hatte die Vorbereitungskurse besucht, wie nahezu alle russischen Kinder ein Jahr vor Schulbeginn, hatte Gefallen an der Vorstellung „Schule“ gefunden. Die Enttäuschungen folgten bald: eine nicht bestandene Eingangsprüfung für die erste Klasse, der erste Schulwechsel, der zweite, der dritte, der vierte. Seine Wehklage wurde immer lauter: „Ich hasse die Schule.“
„Er war vollkommen verloren“, sagt seine Mutter, Lara Pokrowskaja, in ihrem Wohnzimmer in Mytischtschi, einer Vorstadt von Moskau. Nach aufreibenden Jahren wagte sie schließlich einen Schritt, der ihr zunächst unvorstellbar erschienen war: Jegor wurde zum Home-Schooler, und sie, die ausgebildete Ökonomin samt Psychologie-Zusatzdiplom, zur Managerin seines Bildungsprozesses. Eine Form, die heute in Russland immer mehr Eltern übernehmen, weil sie sich für die sogenannte Familienbildung entscheiden.