Glosse

Wie der Kanzler den Gesundheitsminister ausbremste

Sommergespräch 2021
Sommergespräch 2021ORF/Roman Zach-Kiesling
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Höflichkeit zahlt sich in der Politik nicht aus. Das ist die Lektion für Wolfgang Mückstein aus dem ORF-Sommergespräch mit Sebastian Kurz.

Vergangene Woche sagte der Gesundheitsminister, er habe einen „sehr konkreten Plan“ für den Corona-Herbst- und Winter. Sehr konkret wurde er dann aber bekanntlich nicht. Mückstein war in einer Zwickmühle: Einerseits wollte er signalisieren, dass er nicht untätig sei. Andererseits wollte er dem Koalitionspartner und den Ländern vor dem Corona-Gipfel am Mittwoch nicht vorgreifen. Man will ja nicht unhöflich sein.

So zurückhaltend ist der Kanzler nicht. Sebastian Kurz, der bisher Fragen zu Covid-Maßnahmen wie Pfeilen ausgewichen war, legte Montagabend beim ORF-Sommergespräch - oder eigentlich knapp davor - einen 5-Punkte-Plan für den Corona-Herbst- und Winter vor. Wobei „Plan“ nicht das ganz das richtige Wort ist. Es sind bis jetzt vor allem Überschriften.

Zwei Geschwindigkeiten für den Weg zurück

Aber immerhin ist der Grundzugang gut erkennbar: Für den Kanzler gibt es quasi eine Gesellschaft der zwei Geschwindigkeiten. Da sind einerseits die Geimpften. Für diese, sagte er Montagabend, sei „die Pandemie überstanden“, „die Zeit der Lockdowns vorbei“ und die Normalität retour.

Auf der anderen Seite stehen die Ungeimpften, zu denen natürlich auch Kinder unter 12 Jahren zählen. Kurz zeigte zwar Verständnis für Impf-Verweigerer: „Ich will Menschen, die sich nicht impfen lassen, keinen Vorwurf machen.“ Aber eigentlich sagte er: Wer nicht will, hat eben Pech gehabt. Solidaritätsappelle gab es keine und auch keine Ideen wie man diese Gruppe motivieren könnte. Kein Wort von einer Kampagne oder verhaltensökonomischen Anreizen, um die Impfrate - immerhin der wichtigste Hebel der Pandemiebekämpfung - zu erhöhen.  Im Wesentlichen sagte Kurz: Man könne halt nicht jeden überzeugen. Eine generelle Impfpflicht schloss er erwartungsgemäß aus. (Wobei: Wer ganz genau hinhörte, konnte eine eventuelle Pflicht für Gesundheitsberufe - und zwar nicht nur bei Neuanstellung - heraushören.)

Was auffiel: Für Kurz sind „genesen" und „geimpft" mehr oder weniger dasselbe. Genesene und Geimpfte seien „de facto gleichgestellt“, sagte er. Das finden auch Virologen wie Dorothee von Laer. Der Gesundheitsminister sieht das anders. Oder sah?  

In puncto Lockdown-Ausschluss ist Mückstein hingegen übrigens näher beim Kanzler als mancher denken würde. Er würde es nur nicht so sagen. Das Gleiche gilt für das Offenhalten der Schulen. Der Kanzler „garantiert“, der Minister spricht von einem „Ziel“. Sprachliche Kleinigkeiten, aber sie verraten einiges über die unterschiedliche Einschätzung der Lage.

Jetzt oder „Wenn, dann"

Hörbar ist auch der Unterschied, was das gewünschte Tempo betrifft. Während Mückstein drängt, man müsse „jetzt“ handeln, blieb der Kanzler auch im Sommergespräch  im „Wenn-dann-Modus“: „Wenn die Zahlen steigen“(wobei er sich nur auf die Intensivbetten-Belegung konzentrieren will), dann würde eine 1 bzw. 2G-Regel (geimpft oder genesen) z. B. für Nachtgastronomie oder Großveranstaltungen kommen. Ausgemacht ist das aber für Kurz trotz steigender Zahlen auf den Intensivstationen nicht: „Mein Wunsch ist es, ohne freiheitseinschränkende Maßnahmen durchzukommen“, sagte er im ORF-Interview. Eine konkrete Belagszahl, ab der 1 bzw. 2G-Schranken kommen soll, nannte er nicht.

Der generelle Eindruck ist: Da hat es einer weder rasend eilig noch ist er besonders besorgt. Und das zeigt sich sogar dann, wenn er schweigt. Zu der Maskenpflicht indoor, die Mückstein schnell wieder einführen möchte, sagte Kurz nämlich vor allem eines: nichts.

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