Sparen macht Sinn, aber nicht an den Universitäten

Gastkommentar zu den heutigen Vollversammlungen an Österreichs Universitäten, die die Probleme im Studienbetrieb aufzeigen sollen.

In den vielen Gesprächen, die ich in den letzten Wochen innerhalb der Universität geführt habe, konnte ich den Eindruck gewinnen, dass die Universität Wien trotz knapper Mittel in den Fragen der Profilbildung oder bei vielfältigen Initiativen zur Verbesserung der Qualität in Forschung und Nachwuchsförderung hervorragend unterwegs ist. Die letzten Jahre waren Jahre der Stärkung!

In einem zentralen Bereich aber, der Lehre und den Studienbedingungen, haben wir große Probleme, obgleich auch dort Einiges geschehen ist. Von einer Reform der Curricula bis zum Ausbau einiger besonders gefragter Studien, wie etwa der Publizistik und Kommunikationswissenschaft.

Hier müssen wir den Studierenden fast dankbar sein, die im Vorjahr den Druck deutlich erhöht haben. Sie sind nicht nur nach außen fordernd aufgetreten, sondern haben auch dazu beigetragen nochmals zu überprüfen, was von den Universitäten selbst besser gemacht werden kann.

Aber zwei wesentliche Themen können wir an der Universität bei gegebenem Budget aus eigener Kraft nicht bewältigen:
• eine wirkliche Sanierung der Betreuungsrelationen in längerfristig besonders stark nachgefragten Fächern – und noch viel weniger
• die adäquate Betreuung der in den letzten Jahren enorm gestiegenen Zahl der Studierenden.

Unis sind Teil der Gesellschaft

Es ist klar, dass eine Universität, die einen internationalen Qualitätsanspruch erhebt, weder die Forschung noch die Lehre vernachlässigen darf. Andererseits ist auch unbestreitbar, dass wir nicht allein auf dieser Welt leben und die Universitäten Teil der Gesellschaft sind, die die Universitäten in einem ganz erheblichen Ausmaß finanziert.

Die Verfassung garantiert uns Freiheit der Wissenschaft, der Forschung und der Lehre. Aber selbstverständlich hat die Politik das Recht, den autonomen Universitäten im Rahmen ihrer Leistungsverpflichtung für öffentliche Finanzierung auch Aufgaben zu stellen. Nur müssen diese Aufgaben dann auch mit den vereinbarten Finanzmitteln erfüllbar sein.

Ich bekenne mich zur Autonomie und zur Eigenverantwortung der Universitäten. Gerade die Universität Wien ist in der Lage darzulegen, wofür die Mittel des Staates verwendet werden. Ja, wir können nachweisen, dass wir sorgfältig mit den Mitteln umgehen.

Aber wir können leider auch nachweisen, dass wir mit den vorhandenen finanziellen Möglichkeiten nicht in allen Fächern eine vernünftige Lehrbetreuung sicherstellen können. Dabei weiß ich als Volkswirt sehr wohl, dass die öffentlichen Finanzen kein Selbstbedienungsladen sein können.

Lösungsansätze hinterfragen

Aber gerade weil ich das weiß, spreche ich mich nicht für eine allgemeine, undifferenzierte Defizitausweitung aus. Ich bin überzeugt, dass eine bedachte Ausgabenausweitung bei jenen Staatsausgaben, die langfristig den nächsten Generationen helfen, erforderlich ist.

Nun gibt es Stimmen, allen voran die der Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung, die die Meinung vertreten, dass Studiengebühren und umfassende Zugangsbeschränkungen die Lösung der Probleme brächten.

Abgesehen davon, dass den Universitäten für die ersten Jahre der Entfall der damaligen Studienbeiträge durch das Budget ausgeglichen wurde, scheint es mir redlich, die beiden sogenannten Lösungsansätze zu hinterfragen.

Da geht es in erster Linie um eine politische und erst in zweiter Linie um eine universitäre Frage. Das ist einerseits eine Frage der Finanzierung der Staatsaufgaben, andererseits eine nach den Zielen der Hochschulpolitik. Es geht darum, ob man mehr Akademikerinnen und Akademiker haben will, oder darum, ob es sinnvoll ist staatlich vorzugeben, welche Studien gewünscht, welche Studien wertvoll sind (wertvoll für wen?). Klar ist, dass auch Studiengebühren an der strukturellen Unterfinanzierung der österreichischen Universitäten nichts ändern.

Mein eigenes Gesellschaftsbild ist, dass ich tendenziell mehr akademisch gebildete Bürgerinnen und Bürger für sinnvoll erachte, weil es einen Zusammenhang zwischen Bildung/Ausbildung und Wohlstand einer Gesellschaft gibt, und dass ich mir im Großen und Ganzen Studienwahlfreiheit wünsche. Das mag nicht in allen Fächern möglich sein, aber in sehr vielen. Allerdings sollte es in allen Fächern eine neue Studieneingangsphase geben, in der am Anfang die Eignung und das Interesse am Studium abgeklärt werden.

Europäisches Modell absichern

Bei der notwendigen Erhöhung der staatlichen Finanzmittel für die Universitäten gibt es trotz Budgetsanierung viele Möglichkeiten. Ich sehe nicht ein, weshalb nicht etwa eine Vermögenszuwachssteuer zur Finanzierung des Mehrbedarfs aller Bildungseinrichtungen geprüft wird. Nach den allgemeinen – durchaus bürgerlichen – Grundsätzen der Steuerlehre ist bei der Festlegung der Besteuerung zu berücksichtigen, wie viel jemand nach seinen eigenen Kräften beizutragen in der Lage ist.

Ja, es stimmt, dass die Finanzkrise die Voraussetzungen für mehr Bildungsausgaben nicht verbessert hat. Aber es stimmt genauso, dass Bildungsinvestitionen gerade jene Ausgaben sind, die unser europäisches Wirtschaftsmodell am besten absichern.

So ist der heutige Tag der Versammlungen nicht nur ein Tag, an dem die Angehörigen der Universitäten ihren Frust ausdrücken, sondern er ist auch ein Tag, an dem wir mit guter ökonomischer Begründung sagen können, dass es selbst in einem Sparhaushalt Sinn macht, die Bildung zu stärken.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zur Person

Max Kothbauer (*30. 3. 1950 in Wien) studierte Maschinenbau an der TU Wien und Volkswirtschaft an der Uni Wien. Von 1986 bis 1988 war er Kabinettschef von Bundeskanzler Franz Vranitzky.

Kothbauer ist Vorsitzender des Universitätsrates der Uni Wien und Vizepräsident der Oesterreichischen Nationalbank.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2010)

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