St. Pölten

Drogenprozess gegen "Ibiza-Detektiv" gestartet: Noch kein Urteil am Mittwoch

PROZESS GEGEN MUTMASSLICHEN IBIZA-DRAHTZIEHER JULIAN HESSENTHALER
PROZESS GEGEN MUTMASSLICHEN IBIZA-DRAHTZIEHER JULIAN HESSENTHALERAPA/Roland Schlager
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Der Angeklagte bekannte sich des Vorwurfs, über ein Kilogramm Kokain weitergegeben zu haben, nicht schuldig.

Unter großem Medieninteresse hat am Mittwoch am Landesgericht St. Pölten der Drogenprozess gegen den mutmaßlichen Drahtzieher des Ibiza-Videos, Julian Hessenthaler, begonnen. Der 40-Jährige soll mehr als ein Kilogramm Kokain weitergegeben haben. Belastet wird er von Zeugen. Hessenthaler bekannte sich nicht schuldig. Die Verteidigung sprach von konstruierten Vorwürfen. Bei einer Verurteilung drohen bis zu 15 Jahre Haft. Am Mittwoch wird es noch kein Urteil geben, sagte der Richter.

Zahlreiche Medienvertreter und Kamerateams hatten sich zum Start der Schöffenverhandlung in St. Pölten eingefunden. Der Beschuldigte wurde von Justizwachebeamten aus der U-Haft in den Schwurgerichtssaal geführt.

Staatsanwalt Bernd Schneider hielt zu Verhandlungsbeginn mit Blick auf das Ibiza-Video fest: "In diesem Prozess hier geht es nicht um dieses Video, es geht um gänzlich andere Vorwürfe." Die insgesamt 1,25 Kilo Kokain mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 70 Prozent sollen 2017 und 2018 nahe der niederösterreichischen Stadt Haag (Bezirk Amstetten), in Salzburg und Oberösterreich zu einem Grammpreis von 40 Euro übergeben worden sein. Damit soll Hessenthaler laut Anklage der Staatsanwaltschaft Wien Schulden beglichen bzw. seine triste finanzielle Situation aufgebessert haben.

Kokain-Abnehmer als Zeugen

Der Privatdetektiv soll das Kokain an einen suchtgiftabhängigen Bekannten weitergegeben haben. Dieser soll die Drogen teilweise gemeinsam mit seiner Geliebten für den Eigenbedarf verwendet haben, ein Teil soll gestreckt und weiterverkauft worden sein. Beide wurden laut Anklagebehörde vor rund einem Jahr wegen Suchtgiftdelikten verurteilt, sie sollen am Mittwoch als Zeugen aussagen. Die Frau habe eine "Lebensbeichte" abgelegt, nachdem bei ihr 133 Gramm Kokain in einem Staubsaugerbeutel gefunden worden waren, sagte der Staatsanwalt. Der Mann habe erst nach seiner Hauptverhandlung zu Übergaben durch den 40-Jährigen ausgesagt, weil seine Mutter zwei Wochen vor seinem Prozess bedroht worden und er verängstigt gewesen sei.

Verteidiger Wolfgang Auer betonte in seinem Eröffnungsvortrag: "Ich kann nur sagen: Ich schäme mich als österreichischer Rechtsanwalt und als Teil des österreichischen Justizsystems, ein derartiges Verfahren erleben zu dürfen oder zu müssen". Das Verfahren beginne mit Veröffentlichung des Ibiza-Videos. Es sei "in jeder Art und Weise" ermittelt worden, um den Drahtzieher der Aufnahmen zu finden.

Rechtsanwalt kritisiert „einseitiges Verfahren"

Man sei "nicht imstande gewesen, eine unabhängige Soko mit unabhängigen Polizisten einzurichten", erklärte der Rechtsanwalt, der von einem "einseitigen Verfahren" sprach. Zu den Aussagen in elf Einvernahmen der Frau, die seinen Mandanten belaste, meinte Auer: "Da stimmt von vorne bis hinten nichts. Da geht es offensichtlich schon darum, Fakten zu schaffen, damit man den Angeklagten belasten kann." Die Angaben der Frau und des Mannes würden nicht übereinstimmen. Ein Zeuge habe angegeben, er sei unter Druck gesetzt worden, um den 40-Jährigen zu belasten. "Es geht letztlich nur darum: Den Angeklagten zu bestrafen, dass er das Ibiza-Video gemacht hat", sagte Auer, der Hessenthaler gemeinsam mit Oliver Scherbaum vertritt.

Verteidiger Scherbaum sprach in seinem Eröffnungsvortrag davon, dass die Vorwürfe gegen seinen Mandanten "konstruiert sind, und das auch noch schlecht". Die Ermittlungen seien mit falschen Angaben befeuert worden. "Dagegen ist jede Netflix-Serie eine Sendung mit der Maus". Der 40-Jährige sei "aus Rache hineingelegt" worden. Es gehe daher sehr wohl um das Ibiza-Video. Nach diesem Verfahren werde man wissen, ob es in Österreich möglich sei, dass ein Aufdecker von Korruption mit falschen Anschuldigungen aus dem Verkehr gezogen werde, sagte Scherbaum.

Weitergegeben wurden laut Anklage zunächst 250 und dann jeweils 500 Gramm. Weil die erste Übergabe der größeren Menge in Haag stattgefunden haben soll, das zum Sprengel des Landesgerichts St. Pölten gehört, geht der Prozess in der niederösterreichischen Landeshauptstadt über die Bühne.

Urkundenfälschung: Doppelbestrafung verboten

Neben Suchtgifthandel wird dem 40-Jährigen Fälschung besonders geschützter Urkunden sowie Annahme, Weitergabe oder Besitz falscher oder verfälschter besonders geschützter Urkunden vorgeworfen. Er soll einen gefälschten slowenischen Führerschein und Personalausweis, die auf den Namen einer Bekannten lauteten, besessen und übergeben sowie bei einer Polizeikontrolle am 7. Mai 2019 in Wien eine gefälschte slowenische Lenkberechtigung vorgewiesen haben. Hier sei jeweils "keine Strafbarkeit gegeben", verwies Verteidiger Auer unter anderem auf das Verbot der Doppelbestrafung.

Hessenthaler soll eine Schlüsselrolle im Zusammenhang mit dem Video gehabt haben, das den damaligen FPÖ-Obmann und Vizekanzler Heinz-Christian Strache und FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus in einer Villa auf Ibiza im Gespräch mit einer vermeintlichen Oligarchennichte zeigt. Nach Veröffentlichung der Aufnahmen im Mai 2019 verloren nicht nur Strache und Gudenus ihre Jobs, sondern es kam auch zum Bruch der türkis-blauen Koalition. Eine Neuwahl war die Folge.

Seit März sitzt Hessenthaler wegen Tatbegehungs- und Fluchtgefahr in Untersuchungshaft - nachdem er Mitte Dezember 2020 in Berlin mit Europäischem Haftbefehl festgenommen und in der Folge an Österreich ausgeliefert worden war. Im April hatte er als Auskunftsperson im U-Ausschuss ausgesagt, dass er sich als Opfer voreingenommener und befangener Ermittlungen sehe und mit dem Video nur ein Sittenbild des österreichischen politischen Systems habe zeichnen wollen.

(APA)

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