Chaos in Afghanistan

„Auch die Türkei hat ein Limit bei der Aufnahme von Flüchtlingen“

Archivbild vom 5. August vom türkischen Parlamentspräsidenten Mustafa Şentop.
Archivbild vom 5. August vom türkischen Parlamentspräsidenten Mustafa Şentop. imago images/ZUMA Wire
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Der türkische Parlamentspräsident, Mustafa Şentop, zeigt sich über die Lage im Land am Hindukusch besorgt. Die USA seien mit ihrem Vorhaben, „Demokratie zu exportieren“, erfolglos geblieben.

Das Angebot der Türkei, den Betrieb des Flughafens der afghanischen Hauptstadt Kabul zu übernehmen, sei nach wie vor aufrecht. Das gab nun der türkische Parlamentspräsident, Mustafa Şentop, vor Journalisten in Wien bekannt. Şentop war Gast der Weltkonferenz der Interparlamentarischen Union (IPU) in Wien, an der rund 110 Parlamentspräsidenten aus aller Welt teilnahmen. Nach den ursprünglichen Plänen hätten türkische Einheiten nach dem Abzug der letzten US-Truppen aus Afghanistan den Flughafen in Kabul weiterhin sichern sollen. Mit der raschen Machtübernahme durch die Taliban und dem chaotischen US-Rückzug hat sich dieses Vorhaben aber vorerst zerschlagen. „Jetzt gibt es erneut Gespräche darüber“, berichtete Şentop, der ein führendes Mitglied der Regierungspartei AKP ist.

Die USA seien mit ihrem Vorhaben, „Demokratie zu exportieren“, erfolglos geblieben – und zwar nicht nur in Afghanistan, sondern auch im Irak, in Syrien und Libyen, sagte der türkische Parlamentspräsident. „Derzeit herrscht Chaos in Afghanistan. Und es wird nicht einfach, eine Lösung zu finden.“ In dem Land am Hindukusch gebe es ein „komplexes Geflecht“ verschiedenster Gruppen und ethnischer Gemeinschaften. „Auch Menschen mit türkischen Wurzeln leben dort“, sagte Şentop. Die Türkei habe lange und gute Beziehungen zu Afghanistan. Es gebe auch die Erwartung an Ankara, zu einer Lösung der Krise beizutragen.
Mit der prekären Lage in ihrem Land werden noch mehr Afghanen versuchen, sich in Sicherheit zu bringen. Auch in der Türkei sei man „in Sorge“, dass die Zahl der Flüchtlinge aus Afghanistan steigen könnte, so der Parlamentspräsident. „Wir wollen den Migrationsstrom kontrollieren und führen deshalb auch Gespräche mit Afghanistans Nachbarländern.“

„Das ist ein internationales Problem“

Die Türkei beherberge bereits jetzt rund fünf Millionen Flüchtlinge, vier Millionen davon aus Syrien, sagte Şentop. „Wir öffnen die Türen für diese Menschen.“ Zugleich könne die Türkei aber nicht unbeschränkt Flüchtlinge aufnehmen. „Wir haben auch ein Limit“, bekräftigte der Parlamentspräsident. „Das ist ein internationales Problem und nicht nur ein Problem der Türkei.“

Am Dienstag hatte sich Şentop in einem Interview mit der Austria Presse Agentur auch zur Beziehung der Türkei zu Österreich zu Wort gemeldet: "Neben Fremdenfeindlichkeit sind auch Türkeifeindlichkeit und Islamophobie fast zu einem festen Bestandteil der österreichischen Politik geworden", diagnostizierte er. Konkrete Kritik übte Şentop etwa an dem Verbot der Symbole der Grauen Wölfe in Österreich. 

(ws)

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