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Deutschland

So funktioniert die Bundestagswahl in Deutschland

Das deutsche Wahlsystem ist ein Mix aus Direktkandidaten und Listensystem - samt komplizierter Mandatsverteilung. Wir erklären, warum die Zahl der Abgeordneten nicht fix ist und was es mit der Erst- und Zweitstimme auf sich hat.

Die Eckdaten - Wer darf wählen?

Alle deutschen Staatsbürger, die am Wahltag mindestens 18 Jahre alt sind, erhalten einige Wochen vor dem 26. September eine Wahlbenachrichtigung. Diese enthält etwa Wahltermin, Uhrzeiten und das zuständige Wahllokal. Hat man bis zum 21. Tag vor der Wahl keine solche Benachrichtigung erhalten, solle man sich bei seiner Gemeinde melden, so der Bundeswahlleiter.

Wer aber zum Beispiel per Briefwahl abstimmen möchte, braucht einen Wahlschein und den Stimmzettel, auf dem später die Kreuze zu machen sind. Ein Antrag dafür liegt der Wahlbenachrichtigung bei. Man kann ihn aber auch per E-Mail stellen. Außerdem ist es möglich, die Unterlagen persönlich bei der Gemeinde abzuholen.

Für diejenigen, die im ihnen zugeordneten Wahllokal die Stimmen abgeben wollen, reicht es allerdings, mit Personalausweis oder Reisepass zu erscheinen. Die Wahlbenachrichtigung muss nicht zwingend mitgenommen werden.

Was bedeutet „allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim“, was die Wahl betrifft?

Allgemein heißt, dass alle deutschen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger wählen dürfen, unabhängig etwa von Geschlecht, Religion oder Beruf. Man wählt die Abgeordneten ohne zwischengeschaltete Wahlleute - also unmittelbar. Frei bedeutet, dass sich alle ihre Meinung bilden und ohne äußeren Druck zu einer Entscheidung kommen. Da jede abgegebene Stimme gleich viel zählt, ist die Wahl gleich. Wählerinnen und Wähler kreuzen ihren Stimmzettel unbeobachtet an und geben sie in Umschlägen ab. So kann niemand nachvollziehen, wer für welche Partei abgestimmt hat - die Wahl ist geheim.

Wird die Kanzlerin bzw. der Kanzler direkt gewählt?

Nein. Man stimmt für Abgeordnete, die wiederum später im Bundestag die Bundeskanzlerin oder den Bundeskanzler (Regierungschef) wählen. Das funktioniert also im Prinzip so ähnlich wie in Österreich. CDU/CSU, SPD und Grüne haben diesmal eine Person als Kanzlerkandidaten oder Kanzlerkandidatin benannt, die sie später im Parlament zur Wahl des Regierungschefs oder der Regierungschefin aufstellen wollen - falls sie allein oder in einer Koalition eine Mehrheit im Bundestag haben. Die übrigen Parteien verzichten darauf. Sie gehen davon aus, dass sie nicht genug Stimmen erhalten, um an der Spitze der künftigen Regierung zu stehen.

Was hat es mit der Erst- und Zweitstimme auf sich?

In Deutschland handelt es sich um ein Mischsystem. In Großbritannien  etwa herrscht ausschließlich das Prinzip der Direktmandate: Im Parlament versammeln sich ausschließlich die Sieger ihrer Wahlkreise. In Österreich hingegen gibt es ausschließlich ein Listensystem (wenn auch auf mehreren Ebenen). Deutschland verbindet beide Systeme:

Mit der Erststimme wählt man einen Kandidaten direkt, der im entsprechenden Wahlkreis antritt. Meistens gehört er zu einer Partei, die das vorher festgelegt hat. Wer als Einzelperson antreten möchte, muss mindestens 200 Unterschriften von Wahlberechtigten des Wahlkreises sammeln, in dem sie kandidieren will.

Wie viele Mandate insgesamt eine Partei aber im Bundestag bekommt, das entscheidet die Zweitstimme, bei der wiederum Parteien mit Landeslisten zur Auswahl stehen. In die Sitze, die einer Partei nach den Zweitstimmen zustehen, werden die Direktmandate aus den Erststimmen eingerechnet.

Wer bekommt einen Sitz im deutschen Bundestag?

Wer die meisten Erststimmen in einem der 299 Wahlkreise bekommt, zieht per Direktmandat in den Bundestag ein. Da aber das Parlament mindestens doppelt so viele Sitze hat, kommen daneben auch weitere Bewerber zum Zug. Deren Option: die Landesliste. Auf dieser hat jede Partei vor der Wahl auf Ebene der Bundesländer festgelegt, wen sie gern ins Parlament nach Berlin entsenden möchte. Diejenigen, die weiter oben auf der Liste stehen, haben bessere Chancen.

In der Regel erhalten nur Parteien mit mindestens fünf Prozent der Zweitstimmen Sitze im Bundestag. Diese Sperrklausel soll eine zu starke Zersplitterung des Parlaments verhindern. Es gibt aber eine Ausnahme: Hat eine Partei über die Erststimmen mindestens drei Direktmandate gewonnen, bekommt sie auch für die Zweitstimmen Sitze - selbst wenn sie hier beispielsweise nur drei Prozent geholt hat.

Überhangmandate und Ausgleichsmandate: Warum ist die Anzahl der Abgeordneten im Bundestag nicht fix?

Eigentlich sind 598 Sitze vorgesehen. Derzeit hat der Bundestag jedoch 709 Mitglieder. Wenn eine Partei (über die Erststimmen) mehr Direktmandate gewinnt, als ihr Sitze gemäß des Zweitstimmen-Anteils im Bundesland zustehen, entstehen Überhangmandate. Damit aber das Verhältnis zu den anderen Parteien gewahrt bleibt, bekommen diese entsprechend Ausgleichsmandate: Die Gesamtzahl wird so lange vergrößert, bis jede Partei genau den Anteil an Sitzen hat, der ihren Anteil an Zweitstimmen widerspiegelt.

Die Wahlrechtsreform von 2020 soll indes ein weiteres Wachsen des Bundestags verhindern: Bei der Wahl am 26. September werden Sitze nach einem ziemlich komplizierten Verfahren teilweise parteiintern zwischen den Mandaten für die Erst- und Zweitstimmen verrechnet. Zudem werden bis zu drei Überhangmandate nicht ausgeglichen.

Wer tritt an?

47 Parteien treten an. Dazu gehören solche, die bereits im Bundestag oder in einem Landtag vertreten sind - wie etwa CDU (Christlich Demokratische Union Deutschlands), ihre bayerische Schwesterpartei CSU (Christlich-Soziale Union), SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands), FDP (Freie Demokratische Partei), Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, AfD (Alternative für Deutschland) und Freie Wähler - sowie diverse Klein- oder Kleinstparteien. Der Bundeswahlleiter wies darauf hin, dass zugelassene Listen selbst dann auf dem Stimmzettel erscheinen, wenn eine Partei nachträglich erklärt, auf eine Teilnahme an der Abstimmung verzichten zu wollen. Die CSU tritt nur in Bayern an, die CDU in allen Bundesländern mit Ausnahme von Bayern.

Insgesamt elf Parteien sind bei der Wahl in allen 16 Bundesländern mit Landeslisten vertreten: SPD, AfD, FDP, Linke, Freie Wähler, Die PARTEI, Tierschutzpartei, NPD, ÖDP, MLPD und Volt. Die CDU ist in allen Ländern außer Bayern vertreten, die Grünen sind es in allen Ländern außer dem Saarland und die CSU nur in Bayern. Derzeit sind sieben Parteien im Bundestag vertreten, von denen CDU und CSU eine Fraktionsgemeinschaft bilden. Die weiteren Parteien sind SPD, AfD, FDP, Linke und Grüne.

Wie funktioniert die Briefwahl in Deutschland?

Wer am Tag der Bundestagswahl nicht ins Wahllokal gehen kann oder möchte, kann per Brief abstimmen. Seit dem Jahr 2009 ist dies ohne Angaben von Gründen möglich. Seit Einführung der Briefwahl 1957 wird sie immer beliebter, vor allem seit den 90er Jahren steigt der Anteil der Briefwählenden stark. Bei der Bundestagswahl 2017 stimmten 13,4 Millionen Wählerinnen und Wähler oder 28,6 Prozent per Post ab. Dieses Mal dürfte das Interesse auch wegen der Corona-Pandemie weiter zunehmen.

(APA/dpa/AFP)

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