Ex-Wissenschaftsminister: "Sieht hoffnungslos aus"

10 Jahre Wissenschafter des Jahres Photo: Michaela Seidler
10 Jahre Wissenschafter des Jahres Photo: Michaela Seidler(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
  • Drucken

Man befasse man sich nur "mit Einzelheiten und Partikularinteressen", kritisiert der ehemalige Wissenschaftsminister Hans Tuppy (1987-89). Man könne nicht Pause beim Investieren machen, sagt ein Institutsvorstand.

Der ehemalige Wissenschaftsminister Hans Tuppy (1987-1989, V) ortet derzeit eine "Hochschulmisere" in Österreich. Nach den positiven Entwicklungen der vergangenen Jahre habe es "bis vor relativ kurzer Zeit Anlass zum Optimismus gegeben", so Tuppy am Montag Abend bei einem Hintergrundgespräch der Österreichischen Forschungsgemeinschaft. Dieser Optimismus sei nun weg. "Es ist ein akuter Mangel an Mitteln, es ist auch keine Aussicht da. Ich muss vor dieser Demotivierung warnen, die um sich greifen kann, wenn es keine Perspektiven gibt."

"Kein Ansatz zum großen Wurf"

Die "Hochschulmisere" sehe er in einem größeren Zusammenhang, betonte Tuppy. Er betrachte das Bildungssystem als eine Gesamtheit: "Derzeit schaut es hoffnungslos aus." Anstatt sich zu einer entschlossenen Vorgangsweise aufzuraffen, befasse man sich "mit Einzelheiten, mit Kompetenzfragen und mit Partikularinteressen": "Es gibt keinen Ansatz zum großen Wurf."

Als positive Beispiele nannte Tuppy die Schweiz, Dänemark, Finnland und die asiatischen Staaten: "Schauen Sie sich an, was die für ihr Bildungswesen tun, ohne dass sie bessere Fördermöglichkeiten hätten." Der Ernst der Situation sei wirklich gegeben. "Wenn Regierung und Parlament nicht imstande sind, sich dem zu stellen, wird das Vertrauen in die Politik untergraben." Der Biochemiker Tuppy war unter anderem Chef des Wissenschaftsfonds FWF, Rektor der Uni Wien und Vorsitzender der Rektorenkonferenz, Präsident der Akademie der Wissenschaften und Wissenschaftsminister.

"Kann nicht Pause beim Investieren machen"

Die Vorständin des Instituts für Wirtschaftspsychologie, Bildungspsychologie und Evaluation der Uni Wien, Christiane Spiel, betonte, dass die Unis nicht einfach zwei bis drei Jahre "Pause" beim Investieren machen könnten, ohne den Anschluss zu verlieren. "Wer kommt schon als berühmter Professor an eine Uni, wenn er keine Ausstattung kriegt, keine Unterstützung und gleichzeitig Angebote aus dem Ausland hat? Man geht dorthin, wo man ein Umfeld an Kollegen vorfindet, mit denen man produktiv zusammenarbeiten kann." Gleiches gelte für hochqualifizierte Studierende.

Die schlechten Betreuungsverhältnisse seien nicht nur für die Studenten schwierig, sondern auch für die Lehrenden, betonte Spiel. "Als junger Wissenschafter kriegt man ja keine Stelle, weil man so viele Studierende betreut hat, sondern weil man eine bestimmte Anzahl an Artikel publiziert hat." Um irgendwie weiter "herumwursteln" zu können, greife man auf externe Lehrbeauftragte zurück bzw. beuteten sich die Lehrenden selbst aus.

"Können Studenten nicht angemessen betreuen"

Susanne Weigelin-Schwiedrzik, Dekanin der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Uni Wien, zeichnete die Größenordnungen nach. An ihrer früheren Uni in Heidelberg habe es für 27.000 Studenten 250 Professoren gegeben, an ihrer Fakultät seien es nun bei gleicher Studentenzahl 67. "Ich will gar nicht drüber reden, ob wir noch zehn oder 15 Professoren mehr brauchen. Der Unterschied ist so groß, dass wir die Studenten nicht angemessen betreuen können." In ihrem Fach, der Sinologie, betreue eine Professorin 750 Studenten - nun kämen im neuen Semester wieder 450 dazu. "Davon müssen wir die Hälfte abweisen, weil wir keinen Platz haben." Es fehlten schlicht die Räume, Tische und Stühle.

Für Proteste sieht Weigelin-Schwiedrzik die Professoren in einer strukturell schlechten Lage: "Wenn wir mit der Faust auf den Tisch schlagen, treffen wir die Studierenden." Sie frage sich dann, "warum wir auf dem Rücken der Studierenden einen Streit austragen, der zwischen uns und den Regierenden geführt wird". Stattdessen beute man sich selbst aus - und bestätige damit fatalerweise die Meinung der Entscheidungsträger, dass es ohnehin irgendwie weitergehe.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Demo Startpunkt einen heissen
Hochschule

ÖH: Demo war "Startpunkt in einen heißen Uni-Herbst"

Der Finanzminister stellt den Unis mehr Geld in Aussicht, knüpft daran aber Bedingungen. Die ÖH und die Aktivisten von "unibrennt" planen weitere Aktionen.
UniProtest Polizei raeumte Audimax
Hochschule

Uni-Protest: Hörsaal nicht mehr besetzt

Am Mittwochmorgen wurden die letzten Besetzer von der Polizei aus dem Hörsaal eskortiert. Eine kleine Demo im Anschluss wurde aufgelöst. Ministerin Karl ist "froh" über das Ende der Besetzung.
UniBudget Proell verspricht mehr
Hochschule

Uni-Budget: Pröll verspricht mehr Geld bei Reformen

Der Finanzminister verspricht zusätzliche Mittel für die Universitäten. Zuvor will er aber mehr Transparenz und Zugangsregeln. Das dürfte im Sinn von Wissenschaftsministerin Karl sein.
Rektoren Studenten kaempfen mehr
Hochschule

Rektoren und Studenten kämpfen um mehr Geld

Die Vollversammlungen an den Unis haben regen Zulauf. Die Rektoren zeichnen dramatische Szenarien. Die Versammlung der Uni Wien erinnert an die Proteste im Vorjahr. Skurrile Vorschläge von TU-Rektor Skalicky.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.