Bauprozesse

Abläufe wie im Zahnradgetriebe

Dicht verbaute Stadtgebiete erfordern eine besonders ausgefeilte Baustellenlogistik. Im Bild die Baustelle des neuen KaDeWe in der Wiener Mariahilferstraße
Dicht verbaute Stadtgebiete erfordern eine besonders ausgefeilte Baustellenlogistik. Im Bild die Baustelle des neuen KaDeWe in der Wiener Mariahilferstraße(c) Signa/hetzmannseder
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Knapp bemessene Bauzeiten, steigende projektspezifische Anforderungen, aber auch der aktuelle Rohstoffmangel rücken die Baustellenlogistik immer mehr in den Mittelpunkt.

Termin- und Kostendruck sind auf Baustellen ein immer wichtigeres Thema: „Im Wesentlichen geht es darum, die richtigen Ressourcen wie Material, Geräte und Personal in der richtigen Menge zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu haben“, sagt Peter Wimmer, Teamleiter Projektbau im Tiefbau beim Baukonzern Leyrer + Graf. Unter Einhaltung dieses Leitsatzes könnten Zeit, Material und Transportkosten gespart und ein Projekt wirtschaftlich umgesetzt werden.

Breites Aufgabenfeld

Möglich macht das die Baulogistik. „Ihr oberstes Ziel ist die effiziente Gestaltung von Bauprozessen und damit die frühzeitige, kontrollierte und koordinierte Vermeidung von Produktivitätseinbußen, die sich unmittelbar in Kostensteigerungen und Terminverzögerungen widerspiegeln würden“, erläutern Matthias Nisch und James Denk vom Beratungsunternehmen Drees & Sommer. Auch die Minimierung von Risken sowie die Steigerung der produktiven Arbeitszeit fallen darunter. „Dies kann über die Reduzierung von unnötiger Materialsuche, Auf- und Umräumen oder auch vermeidbare Transporte erreicht werden“, betonen die Experten mit Verweis auf Angaben der TU Darmstadt: Demnach entfallen nur 30 Prozent der Arbeitszeit auf die Haupttätigkeit, ein Drittel der Zeit wird hingegen für Materialsuche, Umräumen, Wege und Transport aufgewendet.

Das Spektrum der Baulogistik, die vor allem bei mittleren und großen Bauvorhaben sinnvoll ist, ist somit breit gespannt. „Ganz allgemein fallen sämtliche Ablaufüberlegungen über die Abwicklung eines Bauprojektes im Vorfeld, von der Bescheiderwirkung bis hin zur richtigen Geräteauswahl, sowie die laufende Anpassung dieser Überlegungen während der Ausführung darunter“, sagt Wimmer. „Und natürlich gehört auch die Material- und Personallogistik dazu“, ergänzt Dominik Müller, Geschäftsführer von Zeppelin Rental in Österreich. Letzteres sei nicht nur aus Gründen der Sicherheit wichtig, sondern auch, um das Thema Schwarzarbeit abzufangen. „Wir haben dafür ein eigenes System für einen zentralisierten Personalzugang entwickelt“, erzählt Müller. Ohne Identitätsüberprüfung und Ausweis gebe es keinen Zutritt zur Baustelle.

Einbindung in Planungsphase

Die am meisten herausfordernde Phase der Baulogistik ist Wimmer zufolge jene der Arbeitsvorbereitung, also die Zeit zwischen Auftragserlangung und Baubeginn. „Ist das Projekt voll im Laufen, können je nach Projektdauer meistens nur mehr kleinere Anpassungen durchgeführt werden“, erläutert er. Nisch sowie auch Müller plädieren in diesem Zusammenhang dafür, Experten für Baulogistik bereits möglichst früh in die Planungsphase einzubinden. „Je eher und je besser alles koordiniert und im Vorfeld abgestimmt ist, umso reibungsloser verläuft das Baugeschehen“, betont Müller.

Und umso effizienter kann gebaut werden – werden doch durch die optimale Steuerung, Bereitstellung und Umsetzung einer ganzheitlichen Baustellenlogistik Zeit-, Material- und Transportkosten eingespart. Nisch, der die Kosten für die Baustellenlogistik „grob mit drei bis sechs Prozent der Herstellkosten“ beziffert, präzisiert: „Über gemeinsam genutzte Einrichtungen wie Aufzüge, Containermietanlagen, Hebezeuge, aber auch eine koordinierte und kontrollierte Abfallentsorgung reduzieren sich die Kosten des Einzelnen, da die Gerätschaften durch mehrere Beteiligte genutzt und damit voll ausgelastet werden können.“

Müller führt bei der Abfallentsorgung neben dem finanziellen noch ein anderes Argument ins Treffen: „Wird sie von Baulogistikern erledigt, wird der Abfall auch gleich getrennt gesammelt und in Folge entsorgt.“ Das sei ein wichtiger Beitrag zur Nachhaltigkeit. „Wir haben beispielsweise eine Verwertungsquote von 75 Prozent auf Großbaustellen“, betont er. Grundsätzlich geht er – wie die anderen auch – davon aus, dass die Bedeutung der Baulogistik angesichts immer komplexer werdender Auflagen sowie zunehmenden Termin- und Kostendrucks und der steigenden Bedeutung von Building Information Modeling (BIM) künftig weiter zunehmen wird.

AUF EINEN BLICK

Laut Berechnungen der TU Darmstadt wird ein Drittel der Arbeitszeit auf einer Baustelle für Materialsuche, Umräumen und unnötige Transporte aufgewendet. Solche Abläufe können mittels moderner Technologien deutlich effizienter gestaltet werden, was sich in maßgeblichen Kosteneinsparungen niederschlägt. Voraussetzung ist eine frühe Einbindung der Logistikexperten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2021)

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