Vertraute Fremde kommen einem entgegen

Bauen, bis das Morgen kommt.
Bauen, bis das Morgen kommt.APA/HARALD SCHNEIDER
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Alle haben es eilig in alle Richtungen. Die Schule hat wieder begonnen. Hoffentlich bleibt sie auch in der Schule.

Es ist eine andere Stadt, seit die Schule wieder begonnen hat. Vor allem kurz vor acht Uhr früh. Wer gefehlt hat, merkt man erst, als sie wieder da sind. Wochenlang waren da nur Menschen im arbeitsfähigen Alter zu sehen, dazwischen Hundebesitzer, Babys und deren Eltern. Nun sind die Kinder zurück, hopsend und fröhlich die Jüngeren, hängenden Auges die Älteren. Alle haben es eilig in alle Richtungen. Niemand kommt in die Schule zu früh.

Der Menschenstrom auf den Gehsteigen reißt danach abrupt wieder ab; erst am Nachmittag kommt die nächste Flut. Auf die Gezeiten der Stadt ist Verlass. Der Mann mit Hut begegnet einem wieder an derselben Stelle zur selben Zeit, wie seit Jahren schon. Wahrscheinlich ist er Lehrer. Aber warum dann die gleichbleibende Uhrzeit? Wer seinen Wegen treu bleibt, kennt deren Passanten. Man weiß viel über Fremde, aber es könnte auch alles ganz anders sein.

Die Zahl der Baustellen hat sich verdoppelt, kaum möglich nach dem lauten Sommer. Wenn man nur vorbeigeht (und nicht Anrainer ist), bleibt der Lärm zurück und die Aufbruchstimmung überwiegt. Das alte Spielzeuggeschäft wird völlig ausgehöhlt, wer wird hier einziehen? Das eine Lokal dort ist neu, das andere schon wieder geschlossen.

Vor dem Geschäft, das Bubble Tea verkauft, stehen Jugendliche am Nachmittag Schlange. Warum sie so geduldig warten können, auf Schuhe, Burger, Markenschnäppchen, muss auch daran liegen, dass sie früh gelernt haben, Langeweile sofort zu vermeiden. Da gehen sich schon ein paar Videos am Handy aus, die Zeit wird optimal genützt. Der Bubble Tea kostet 4,90 Euro. Es wird vorübergehen.

„Wofür ist Griechenland berühmt?“, fragt ein Schüler und gibt sich kichernd selbst die Antwort: „Zeus und Tsatsiki.“ Und das ist eine astreine Alliteration, auch wenn man es ihr nicht ansieht. Man sollte Schulkinder nicht ständig unterschätzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2021)

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