Gegengift

Nasse Fetzen und trockene Tücher

Michael Indra
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Was so manche politische Zeitgenossen noch von Dante Alighieri lernen könnten.

Die etymologische Abteilung des Gegengifts neigt nicht zur Provokation. Aber wenn es um die Bewertung des mittelhochdeutschen „vetze“ geht, können schon einmal Tintenfässer durch die Schreibstube fliegen. Der Streitpunkt: Was war zuerst da? Das Altnordische „fot“ (Kleider) oder das Althochdeutsche „fazzon“ (sich kleiden)? Und ist damit nur Alltags- oder auch Sonntagsgewand gemeint? Wird der Fetzen stets abschätzig gebraucht, verwandt mit „pfuschen“, „Hader“ oder „Lumpen“?

Für die Modebewussten unter uns, die von Armani bis Zegna bereits die Litanei der nächsten Frühherbst-, Spätherbst- Frühwinter- und Weihnachtsmode herunterbeten können, haben die Fetzen ausschließlich positive Bedeutung. Für die politisch und politisch korrekt Orientierten hier in Erdberg gibt es jedoch auch die gar nicht so nette Fasson dieses Ausdrucks. Sie gipfelt in der Schicksalsfrage: Wer hat den Größten im ganzen Land? Echte Wiener wissen das bestimmt. In der guten alten Zeit, als es hier noch richtige Bürgermeister gab, hieß es, dass dieser nach getanem Regieren jede Nacht mit einem gewaltigen Fetzen über den Rathausplatz seiner Stadt ging, um diesen peinlich zu reinigen.

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