Chemie

Ich seh, ich seh, was du nicht siehst: Mikroplastik im Mikroskop

Die bunten Farbkleckse zeigen an, wo welche Sorte von Mikroplastik auf dem Filter zu finden ist.
Die bunten Farbkleckse zeigen an, wo welche Sorte von Mikroplastik auf dem Filter zu finden ist. [ purency.ai ]
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Ein junges Unternehmen macht Mikroplastik auf Knopfdruck sichtbar. Das System erkennt 20 verschiedene Plastiksorten, egal aus welchem Material die Probe stammt. Die Mikrometer kleinen Partikel leuchten in den Tests aus Wasser, Klärschlamm oder Meersalz farbig auf.

Heute weiß man, dass Mikroplastik überall drin ist. Trotzdem mangelt es an Methoden, die Menge und Zusammensetzung der Mikrometer kleinen Partikel sinnvoll zu bestimmen. „Zuerst fand man Mikroplastik im Meer – nachdem man sich gefragt hat, wo das ganze Plastik hinkommt, das im Ozean landet“, sagt Benedikt Hufnagl, der an der TU Wien Technische Chemie und Verfahrenstechnik studiert hat und mit der Uni Bayreuth ein Forschungsprojekt durchführte, um die Analyse von Mikroplastik zu automatisieren. „Es ging damit weiter, dass man Mikroplastikpartikel in den Flüssen fand, dann auch auf den Feldern, die mit Klärschlamm gedüngt werden, und irgendwann war klar, dass der gesamte Umweltbereich betroffen ist“, so Hufnagl.

Die Zielgruppe – wer bei der Suche nach Mikroplastik Hilfe braucht – wächst also ständig. Denn kaum eine Industrie kommt um das Problem herum, dass sie schon bei der Produktion darauf achten muss, keine Kunststoffpartikel in die Umwelt zu entlassen. Zudem müssen die Produkte so gestaltet sein, dass sie beim Gebrauch nichts abgeben. Man denke an Polyesterkleidung, die sogar höchste Alpengipfel mit Mikroplastik verschmutzt. Es stammt von Wanderern und deren atmungsaktiver Sportkleidung. Doch bisher ist die Analyse des Mikroplastiks aufwendig, was Zeit und Geld betrifft.

Die Betriebswirtin Aurelia Liechtenstein erklärt den Ablauf: „Der erste Schritt ist, dass man eine Probe vorbereiten muss. Das kann genauso aus meinem Glas Wasser hier kommen wie aus Klärschlamm, Kompost oder Meersalz. Da werden chemische und physikalische Verfahren angewendet.“ Der zweite Schritt ist die Messung, bei der verschiedene Methoden gängig sind, die sich Spektroskopie oder Pyrolyse nennen. „Wir sind spezialisiert auf die Ergebnisse der FTIR-Spektroskopie (Fourier-Transform-Infrarot-Spektrometrie, Anm.)“, sagt Liechtenstein. Der dritte Schritt ist die Datenanalyse, und auf genau den fokussiert das seit 2020 bestehende Unternehmen Purency, das Hufnagl und Liechtenstein mit Michael Stibi und Valerie Hengl in Wien gegründet haben (unterstützt vom TU-Inkubator-Programm und von der Austria Wirtschaftsservice AWS).

„Für die Analyse der FTIR-Spektrometrie braucht es gut ausgebildete Chemiker: Das ist etwa so, wie auch nur ein Arzt die Ergebnisse eines EKG interpretieren kann“, sagt Liechtenstein. Es gleicht der Suche nach der Nadel im Heuhaufen, in diesen Daten die richtigen Aussagen zu finden. Das junge Team von Purency hat hierfür Algorithmen entwickelt, die auf Basis von Machine Learning die Auswertung automatisch erledigen. Dabei ist es vollkommen egal, aus welchem Ausgangsmaterial die Probe stammt oder mit welchem Gerät die Spektroskopie vorgenommen wird. Der Algorithmus arbeitet unabhängig von den unzähligen Parametern, die bisher händisch eingestellt und nachgebessert werden mussten, bevor Stunden oder Tage später ein Ergebnis bereit war. Die Purency-Analyse geht auf Knopfdruck: Die Probe wird auf einen nur einen Zentimeter kleinen Filter aufgebracht, und schon werden die darin versteckten Plastikpartikel sichtbar. „Wir können über 20 Plastiksorten erkennen. Wirklich relevant sind heutzutage nur zehn Sorten, die 98 Prozent des Plastikmülls abdecken“, erklärt Hufnagl, der auf eine Harmonisierung der Methoden hofft, um Umweltproben besser vergleichbar zu machen – ob diese aus Salz- oder Süßwasser stammen oder von Nahrungsmitteln oder der Textilindustrie.

Einsatzbereit auf der ganzen Welt

Das Team will mit der Neuentwicklung einen Beitrag leisten, um dieses weltumfassende Problem besser in den Griff zu kriegen. Denn das System kann von unterschiedlichsten Einrichtungen genutzt werden, sei es öffentlicher Bereich und Forschung, die Proben auf Verschmutzung untersuchen, oder private Labore, die für die Lebensmittel- und Verpackungsindustrie Analysen machen, bis hin zur Industrie, die in der Qualitätskontrolle darauf achtet, dass ihre Herstellung und Produkte im besten Fall frei von Mikroplastik sind.

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