Vor 20 Jahren töteten Attentäter in den USA fast 3000 Menschen. Osama bin Ladens Organisation musste danach Rückschläge einstecken. Die jihadistische Idee lebt aber weiter.
Betty Ong versucht, möglichst ruhig zu sprechen: „Aus dem Cockpit kommt keine Antwort, jemand wurde in der Businessclass erstochen – und ich denke, da ist Reizgas – wir können nicht atmen – ich weiß es nicht, ich denke, wir werden entführt.“ Um genau 8:19 Uhr hat die Flugbegleiterin ein Büro der American Airlines in Cary, North Carolina, angerufen, um die gefährliche Lage an Bord zu schildern. Ong berichtet von zwei weiteren niedergestochenen Opfern und einem „unregelmäßigen“ Flugverhalten der Maschine. Um 8:44 bricht die Verbindung zu der Frau ab.
Madeline Sweeney, eine andere Flugbegleiterin von Flug American 11, steht zu der Zeit noch in Verbindung mit dem American Flight Services Office in Boston. „Wir fliegen viel zu tief“, sagt sie. Und Sekunden später: „Oh mein Gott, wir sind viel zu tief.“ Dann, um 8:46, kracht die Maschine in den Nordturm des World Trade Center in New York.
Der Endbericht der 9/11-Kommission des US-Kongresses schildert detailliert, was an jenem 11. September vor 20 Jahren geschehen ist. 19 Attentäter, aufgeteilt in ein Vierer- und drei Fünferkommandos, hatten vier Flugzeuge unter ihre Kontrolle gebracht. Sie benutzten die Maschinen als fliegende Bomben, um wirtschaftliche und politische Nervenzentren der USA anzugreifen.
Eine Viertelstunde nach dem Einschlag von American 11 in den Nordturm trifft die Maschine des United-Airlines-Flugs 175 den Südturm des World Trade Center. Die Türme stürzen ein. Mit dem American Airlines Flug 77 attackieren die Terroristen das Pentagon. Die Maschine des United-Airlines-Flugs 93 stürzt nach einem Handgemenge an Bord ab. Sie hatten die Attentäter womöglich für das Weiße Haus vorgesehen.
Die Terrorzelle aus Hamburg
Rund 3000 Menschen wurden bei den Anschlägen vor 20 Jahren ermordet – vor den Augen der Welt, in die die Bilder vom Einschlag der zweiten Maschine und dem Einsturz des World Trade Center via Fernsehen live verbreitet wurden. Die Attentäter hatten damit – in ihrer bizarren Gedankenwelt – einen gewaltigen Propagandasieg errungen. Das Rückgrat der Terrorkommandos bildete die sogenannte Hamburger Zelle rund um Mohammed Atta. Der 33-jährige Ägypter gilt als einer der Anführer der Operation und dürfte den Flug American 11 in den Nordturm des World Trade Center gesteuert haben. Er hatte in Hamburg studiert, so wie der 23-jährige Marwan al-Shehhi, der mit seiner Gruppe Flug United 175 entführte; und wie Ziad Jarrah, einer der Kidnapper auf Flug United 93. Im Mai und Juni 2000 waren sie in die USA eingesickert. Im Jahr davor – im November 1999 – sollen sie noch Afghanistan besucht haben. Das Land am Hindukusch war ein Tummelplatz diverser Extremistengruppen. Und auch Osama bin Ladens al-Qaida hatte hier ihre Lager.
Schon rasch nach dem 11. September beschuldigten die USA bin Laden, hinter den Attentaten zu stecken. Der Spross einer reichen saudischen Unternehmerfamilie kämpfte seit Jahren seinen Terrorkrieg gegen Amerika. 1998 hatte al-Qaida Sprengstoffanschläge auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania verübt. Der damalige US-Präsident, Bill Clinton, ließ daraufhin Marschflugkörper in al-Qaida-Camps in Afghanistan feuern. Doch bin Laden entkam.
Einst hatten der saudische Jihadist und die USA einen gemeinsamen Feind: die Sowjetunion, die 1979 in Afghanistan einmarschiert war. Der Aufstand gegen Afghanistans „gottloses“ kommunistisches Regime und seine sowjetischen Helfer zog junge Männer aus arabischen Staaten an. Unterstützt wurden sie von den Geheimdiensten Pakistans, der USA und Saudiarabiens. Bin Laden half bei der Organisation der Einsätze.