"Lehren ziehen"

Nato will Afghanistan-Einsatz untersuchen

REUTERS
  • Drucken

„Wir müssen Lehren ziehen“, so Jens Stoltenberg zum desaströs geendeten Afghanistan-Einsatz. Er fordert zudem, dass sich das Militärbündnis nicht vollständig zurückzieht.

Die Nato hat nach Angaben von Generalsekretär Jens Stoltenberg "eine umfassende Untersuchung" zum desaströs geendeten Afghanistan-Einsatz eingeleitet. "Die Ereignisse der letzten Wochen waren tragisch für die Afghanen und erschütternd für alle, die sie unterstützen", schrieb Stoltenberg in einem Gastbeitrag für die "Welt am Sonntag". Es gebe viele schwierige Fragen bezüglich des Nato-Engagements, die man sich nun ehrlich stellen müsse. "Wir müssen Lehren daraus ziehen."

Zugleich machte Stoltenberg deutlich, dass sich das Militärbündnis nicht vollständig zurückziehen will. "Afghanistan wird nicht die letzte Krise sein, in der Nordamerika und Europa gemeinsam, mithilfe der Nato, handeln müssen", erklärte der frühere norwegische Regierungschef. "Es wird immer jemanden geben, der uns schaden will. Das haben wir am 11. September (2001) und seitdem noch bei vielen anderen Terroranschlägen gesehen."

Taliban erobern Land zurück

In Afghanistan hatten zuletzt kurze Zeit nach dem Ende des Nato-Militäreinsatzes in dem Land die militant-islamistischen Taliban die Macht zurückerobert. Ziel des knapp zwei Jahrzehnte dauernden Einsatzes war es eigentlich gewesen, genau das zu verhindern.

Mehr dazu im Newscast "Presse Play":

Evakuiert aus Afghanistan: „Du hast nur eine Hoffnung"

Reza Mohammed Ali wurde als einer der Letzten aus Afghanistan evakuiert. Gemeinsam mit seiner Frau und seinen beiden Kindern machte er sich über Nacht auf den Weg – von Herat über Kabul nach Wien.

Weitere Menschen evakuiert

Indes konnten mit den ersten Passagierflügen aus Kabul seit Ende der chaotisch verlaufenen militärischen Evakuierungsflüge mehr als 250 Ausländer Afghanistan verlassen. Binnen drei Tagen seien mehr als 250 ausländische Staatsbürger - darunter Dutzende US-Amerikaner - ausgeflogen worden, teilte der US-Sondergesandte für Afghanistan, Zalmay Khalilzad, am Samstag auf Twitter mit.

Zugleich dankte er dem arabischen Emirat Katar für Hilfe bei den Flügen und begrüßte die Zusammenarbeit der militant-islamistischen Taliban bei diesen "wichtigen Bemühungen". Die Vereinigten Staaten nähmen die Regierung von Katar, die Taliban und andere weiter in die Pflicht, um die sichere Ausreise von Menschen, die das Land verlassen wollten, zu gewährleisten.

Bemühungen, Landsleute zurückzuholen

Mit einem zweiten Passagierflug der Gesellschaft Qatar Airways wurden am Freitag auch 45 Deutsche mit Familienangehörigen aus der afghanischen Hauptstadt Kabul gebracht worden. Das teilte das Auswärtige Amt am Samstag in Berlin mit. Es werde intensiv an weiteren Ausreisemöglichkeiten gearbeitet, sagte ein Sprecher. Betroffene würden kontaktiert. Mit einem ersten zivilen Evakuierungsflug waren am Donnerstag bereits 15 Deutsche aus Afghanistan ins arabische Emirat Katar geflogen worden.

Seit Ende der militärischen Evakuierungsmission in Kabul mit dem Abzug der letzten US-Soldaten bemühen sich westliche Länder, ihren Staatsangehörigen und früheren afghanischen Ortskräften die Ausreise zu ermöglichen. Dazu sollen zunehmend auch der Landweg genutzt werden und Flüge aus Nachbarländern starten.

Ungeachtet der unklaren Zukunft Afghanistans will die staatliche pakistanische Fluggesellschaft PIA den kommerziellen Flugverkehr in die afghanische Hauptstadt Kabul ab Montag wieder aufnehmen. "Wir haben alle technischen Genehmigungen für den Flugbetrieb", sagte ein Sprecher des Unternehmens am Samstag. Der erste Flug werde am 13. September von Islamabad aus nach Kabul starten.

Mit der Ankündigung aus Pakistan wächst die Hoffnung auf eine Wiederaufnahme des regulären Flugbetriebs. Bereits am Freitag waren mehrere hundert Menschen an Bord von Chartermaschinen nach Katar gelangt.

(APA/dpa)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Taliban auf dem Vormarsch.
Leitartikel

Das Totalversagen des Westens in Afghanistan ist kaum zu fassen

Die Militärintervention in Afghanistan hat seit 2001 unzählige Menschenleben und mehr als eine Billion Dollar gekostet. Alles war umsonst, wenn die radikal-islamistischen Taliban an die Macht zurückkehren.
Army Major General Chris Donahue verließ als letzter US-Soldat Kabul.
Evakuierung

US-Truppenabzug aus Afghanistan abgeschlossen

Die Taliban wollen „gute Beziehungen zu den USA und der ganzen Welt haben“. Die UNO will die humanitäre Luftbrücke auftrechterhalten und weiter Menschen ausfliegen.
Außenpolitik

Taliban greifen widerständige Provinz Pandschir an

Pandschir ist die einzige Provinz Afghanistans, die noch nicht unter Kontrolle der Taliban steht. Auch während der ersten Herrschaft der Taliban hatten sie die Provinz nicht beherrscht.
Die Talban kontrollieren nun auch den Flughafen Kabul.
Afghanistan

Taliban feiern US-Abzug: "Ihr hattet die Uhren, aber wir hatten die Zeit"

Nach fast 20 Jahren ist der US-Militäreinsatz in Afghanistan beendet. Afghanen, die das Land verlassen wollen, fühlen sich hilflos.
Flüchtlinge

Österreich schert in der Afghanistan-Krise international aus

Auf Initiative der USA richteten über 90 Staaten einen Appell an die Taliban, weiterhin Menschen ausreisen zu lassen. Nur drei EU-Staaten machten nicht mit – darunter Österreich.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.