Langzeitfolgen

„Ein langer und steiniger Weg“

Die Zeit auf einer Intensivstation hinterlässt Spuren an Körper und Psyche.
Die Zeit auf einer Intensivstation hinterlässt Spuren an Körper und Psyche. Getty Images
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Nach einer schweren Sepsis leiden Betroffene oft noch sehr lang an körperlichen und kognitiven Beeinträchtigungen. Ähnlichkeiten mit Long Covid sind nicht rein zufällig. Experten hoffen auf ähnliche Aufmerksamkeit.

Mit dem viel zitierten Eisberg vergleicht Manfred Greher die Wahrnehmung der Sepsis. Die akute Sepsis sei die Spitze, die Langzeitfolgen lägen unter der Oberfläche. Greher ist ärztlicher Direktor und Vorstand der Abteilung für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie im Herz-Jesu Krankenhaus Wien.

„Etwa ein Drittel bis die Hälfte der Patienten haben nach einer schweren Sepsis irgendein Problem“, weiß der Experte. Offensichtlich sind die Folgen, wenn etwa aufgrund von Durchblutungsstörungen Gliedmaßen amputiert werden mussten – was zum Glück eher selten vorkomme. Oder wenn etwa die Nieren so geschädigt sind, dass der Patient dialysepflichtig wird. Darüber hinaus beschreibt Greher die Langzeitfolgen als sehr heterogenes Bild. Dieses sei vor allem durch das Intensive Care Unit (ICU)-Syndrom charakterisiert, also die Folge der intensivmedizinischen Behandlung. Wenig überraschend ist der Muskelabbau ein wesentlicher Faktor – sowohl des Bewegungsapparats als auch der Atemmuskulatur. „In sechs bis acht Wochen Intensivstation verliert man die Muskelmasse, die man in einem Jahr aufbaut“, verdeutlicht Robert Berent, ärztlicher Direktor der Herz-Reha Bad Ischl.

Nicht nur die Muskulatur braucht lang, um wieder fit zu werden. Auch das Immunsystem ist nach einer Sepsis nachhaltig geschwächt, und die Patienten sind anfällig für Infektionen. Laut Studien lege die Gesamtmortalität im ersten Jahr nach einer Sepsis bei 70 bis 80 Prozent, berichtet Greher. Wobei Risikofaktoren wie das Alter eine entscheidende Rolle spielen. Auch könne eine baldige Reha die Langzeit-Überlebensrate steigern.

Ähnlichkeiten zu Long Covid

Neben den körperlichen haben die Überlebenden einer schweren Sepsis auch mit psychischen Beschwerden zu kämpfen. Die Experten nennen Depressionen und Angstzustände ebenso wie extreme Müdigkeit, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen. Spätestens hier werden Parallelen zum derzeit viel beachteten Long Covid augenfällig. Das ist wenig verwunderlich, ist doch ein schwerer Covid-Verlauf nichts anderes als eine virale Sepsis. Allerdings gibt es auch Unterschiede. Neben dem Umstand, dass bei Covid auch leichte Verläufe zu Langzeitfolgen führen können, ist naturgemäß die Lunge häufiger betroffen. Zudem ist der Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns ein Covid-19-Spezifikum.

Die Gemeisamkeit: Die kognitiven Defizite können sich bessern, brauchen aber Zeit – und nicht immer wird das Ausgangsniveau erreicht. Die Ursachen der kognitiven Spätfolgen sind noch nicht ganz klar. Greher nennt neben psychischen Gründen Störungen der Mikroduchblutung während der Sepsis und die Entzündung selbst als mögliche Kandidaten.
Was tun gegen die negativen Folgen? Die Prävention beginnt bereits auf der Intensivstation“, betont Greher. Das heißt unter anderem, Sedierung nur so tief und Dauer der Beatmung nur so lang wie unbedingt nötig. Greher: „Die Entwöhnung beginnt bereits bei der Intubation.“ Eine möglichst rasche Mobilisation – und sei es nur im Bett aufsetzen – trägt ebenfalls bei, die Langzeitfolgen zu mildern.

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