Die Inflationsrate steigt. Dass uns das überrascht, liegt vor allem am lang anhaltenden Dauerkrisenzustand, in dem wir uns seit 2008 befinden.
„It’s Baaack“ titelte Paul Krugman 1998 in einem Artikel über Japans Fall in die Liquiditätsfalle und schlug vor, bei den langfristigen Zinserwartungen anzusetzen, um die Inflationsrate wieder auf ein positives Niveau zu heben. Diesem Vorschlag sind Fed und EZB mit ihren Quantitative Easing Programmen gefolgt. Dreizehn Jahre hat es gedauert bis wir wieder rufen dürfen: It’s Baaack. Diesmal ist die Inflation zurück. Lange hat es gedauert, aber nun scheint es auch nicht recht zu sein.
Mit recht großem Schwung kamen die USA und die EU aus der Corona-Rezession. Die war natürlich auch ein ganz besonderes Exemplar eines realen Schocks eigentlich in den Abschluss eines langen Aufschwungs hinein, der aber kaum als das wahrgenommen wurde. In dieser Rezession haben Regierungen und Notenbanken noch einmal alles gegeben, was sie haben („Koste es, was es wolle“). Da sowohl Geldpolitik als auch Fiskalpolitik mit einer ordentlichen Verzögerung wirken, ist es nicht wirklich überraschend, dass wir jetzt einen kräftigen Preisanstieg sehen. Dass wir uns jetzt darüber wundern, sagt eher etwas über den lang anhaltenden Dauerkrisenzustand, in dem wir uns seit 2008 befinden.Jede Woche gestaltet die „Nationalökonomische Gesellschaft" (NOeG) in Kooperation mit der "Presse" einen Blog-Beitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften.
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Energiepreise 2020 sehr niedrig
Dabei ist es nicht einmal mehr eine hausgemachte Inflation. Hier können die Restaurants mit höheren Preisen aufwarten, aber das war es dann auch schon fast. Der überwiegende Teil ist importiert. Energie war 2020 so billig, dass heutige Preise im Jahresvergleich einen enormen Anstieg darstellen, der die Inflationsrate stark nach oben treibt. Lieferengpässe im verarbeitenden Gewerbe in Asien verknappen das Angebot einiger Güter vor allem aber von Vorprodukte voraussichtlich noch ein Jahr. Auch das treibt die Preise. Beides, der statistische Effekt und die Angebotsknappheit sind aber kurzfristiger Natur. Die langfristigen Inflationserwartungen sind der OeNB (Österreichische Nationalbank) zufolge auch weiterhin moderat.
Unter Einbeziehung einer Steigerung der Lohnstückkosten durch Lohnabschlüsse oberhalb der Inflationsrate geht die OeNB von einer Inflation von weniger als zwei Prozent für die kommenden Jahre aus. Wir sind weit weg von den 1970er Jahren, in denen die Inflation sich verfestigte. Angesichts eines inzwischen wieder robusten Arbeitsmarktes, in dem Klagen über den Fachkräftemangel zum Ausweis eines erfolgreichen Unternehmens gehören, ist eine Inflation von etwa zwei Prozent eine Begleiterscheinung ausgelasteter Kapazitäten. Wenn die Inflation in Österreich etwas schneller steigt als in anderen Ländern der EU und der Eurozone, drückt das genau die Unterschiede in der Auslastung der Kapazitäten aus. Die höhere Kapazitätsauslastung erhöht die Preise im Vergleich mit Anbietern aus anderen Ländern. Das wiederum erfordert Anstrengungen, bei Produktivitätssteigerungen nicht nachzulassen. Diese Situation ist aber allemal eine bessere Position als über Arbeitslosigkeit und nicht ausgelastete Kapazitäten zu klagen und dafür eine geringere Inflationsrate zu haben.
Nachholender Konsum nach Lockdown
Die derzeitige Inflation ist neben der importierten Komponente vom Binnenkonsum und dabei besonders von Kleidung und Möbeln getragen. In großem Maß ist das nachholender Konsum nach einer Zeit des erzwungenen Minderkonsums während der Lockdowns und dem daraus folgenden „Zwangssparen“. Aber auch bei diesen Produkten ist ein statistischer Effekt dabei, da im letzten Jahr besonders starke Rabatte auf saisonale Güter gegeben wurden.
Die unterstützenden Maßnahmen des Staates werden als Inflationstreiber auslaufen. 6,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gibt der Staat in diesem Jahr mehr aus als er einnimmt. Im vergangenen Jahr waren es 8,8 Prozent. Diese Mittel erhöhen die Nachfrage, was „preistreibend“ wirkt. Das wird natürlich nicht so weiter gehen, weder müssen noch können. Eine starre Ausgabenbremse braucht der Staat aber auch nicht. Es wird Aufgabe staatlicher Stellen bleiben, diskretionär auf Herausforderungen zu reagieren. Bevor wir überhaupt in eine Diskussion darüber eingestiegen sind, was nötig ist, um die Klimaziele zu erreichen, schon eine Finanzierungsobergrenze zu definieren, kann nicht zielführend sein.
EZB endlich am Ziel
Die EZB ist derweil äußerst entspannt. Die Hüter der Preisstabilität haben Anfang Juli erst einmal klar gemacht, dass Deflation für sie den gleichen Stellenwert hat wie Inflation. Das Inflationsziel ist jetzt symmetrisch. Ende Juli sahen sie auch nach einem Anstieg der Inflationsrate auf 2,1 Prozent im Jahresvergleich im Euroraum keine Veranlassung an den Niedrig- und Negativzinsen etwas zu ändern oder den Ankauf von Staatsschuldpapieren zu reduzieren. Es scheint als sieht man sich bei der EZB mit einer Inflation von etwa zwei Prozent endlich am Ziel. Von Inflationsgefahren keine Spur. Das ist auch sehr verständlich: Das Potential Inflation zu bekämpfen ist bei der EZB derzeit enorm. Man könnte positive Zinsen und unterlassene Anleihekäufe als Rückkehr zur Normalität feiern. Wie schwer es dagegen ist, im herrschenden Umfeld einer Deflation entgegen zu arbeiten, haben die letzten Jahre gelehrt. Wahrscheinlich ruft niemand lauter und freudiger "Its Baaack" als die Währungshüter in Frankfurt.
Der Autor
Jörn Kleinert ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Graz. Er arbeitet dort besonders an Themen der Internationalen Wirtschaftsbeziehungen.

Links:
https://www.wifo.ac.at/jart/prj3/wifo/resources/person_dokument/person_dokument.jart?publikationsid=67251&mime_type=application/pdf
https://www.oenb.at/dam/jcr:159822b1-bad6-4cab-8a3d-1ff4da01d063/Inflation-aktuell_Q2-2021.pdf
https://www.ecb.europa.eu/press/pr/date/2021/html/ecb.mp210722~48dc3b436b.de.html
https://www.ecb.europa.eu/press/pr/date/2021/html/ecb.mp210909~2c94b35639.de.html