Mein Dienstag

Warum verlassen Sie das Land nicht einfach?

Wer mit seinem Leben in Österreich unzufrieden ist, kann doch gehen. Wird ja niemand gezwungen, hier zu bleiben.

Wenn Menschen mit Migrationshintergrund Missstände aufzeigen, etwa auf Alltagsrassismus und Mikroaggressionen hinweisen, werden sie oft gefragt, warum sie denn Österreich nicht einfach verlassen – wenn es hier schon so unerträglich ist.

Sie könnten ja in ihr Herkunftsland ziehen und dort leben. Ohne Diskriminierung. Ohne Zurückweisung. Ohne das Gefühl, nicht willkommen zu sein. Warum also ändern sie nichts an ihrer Situation, anstatt zu nörgeln, zu quengeln und sich ständig zu beschweren, obwohl sie in einem der schönsten und reichsten Länder der Welt leben? Ist diese Frage nicht legitim?

Natürlich. Stellen wir doch noch ein paar weitere! Was ist eigentlich mit all den Menschen, die in ihrem Beruf unglücklich sind? Warum kündigen sie nicht und wechseln zu ihrem Traumjob? Und diejenigen, die Probleme in ihrer Beziehung haben. Warum trennen sie sich nicht und suchen sich jemand Neuen? Oder leben als Single? Menschen, die keinen Balkon haben und ihre Wohnung für zu klein halten – ziehen Sie doch in ein Penthouse oder ein Haus mit Garten! Wien ist Ihnen zu groß und zu laut? Warum leben Sie nicht längst auf dem Land? Sie fühlen sich zu dick? Abnehmen stellt keine Option dar? Zu dünn? Ist das wirklich ein unlösbares Problem? Sie würden Ihrem Vorgesetzten gern die Meinung sagen, tun es aber nicht und stellen sich stattdessen zu Hause unter der Dusche vor, mit welchen Argumenten Sie es getan hätten? Warum trauen Sie sich nicht? Was soll schon passieren? Ist ja nicht so, dass von Ihnen verlangt wird, das Land zu verlassen.

Ja, Fragen zu stellen ist leicht. Vor allem, wenn es keine wirklichen Fragen sind, sondern in Fragen verpackte Vorwürfe. Um eine Unterstellung zu deponieren, ohne sich angreifbar zu machen.

Soll das etwa heißen, dass hier manchen Leuten unterstellt wird, sie würden Migranten Raunzen des Raunzens willen unterstellen? Schon klar, ist nur eine Frage. Aber für heute wurden genug gestellt. Oder?

E-Mails an: koeksal.baltaci@diepresse.com

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