China

Evergrande: Die Angst vor dem Kollaps wächst

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Auch am Dienstag fordern Anleger und Geschäftspartner ihr Geld vor dem Firmensitz in Shenzhen ein. Eines der größten Immo-Unternehmen Chinas hat Liquiditätsprobleme.

In China wächst die Angst von Wohnungskäufern, Handwerkern und Kleinanlegern vor einer Pleite des Immobilienriesen Evergrande. Dutzende Menschen versammelten sich am Dienstag vor dem Sitz des Konzerns in Shenzhen und forderten ihr Geld, wie AFP-Reporter berichteten. Evergrande hatte am Montag noch versichert, der Konzern werde nicht bankrottgehen - am Dienstag warnte das Unternehmen vor Zahlungsausfällen.

Evergrande hat in Jahren aggressiver Expansion Schulden in Höhe von umgerechnet mehr als 260 Milliarden Euro angehäuft. Der Konzern ist in mehr als 280 chinesischen Städten präsent und eines der größten Privatunternehmen in der Volksrepublik. Ende Juni lag der Bestand an Wohnungen im Bau nach Angaben der Beratungsfirma Capital Economics bei 1,4 Millionen, ihr Wert bei umgerechnet 170 Milliarden Euro.

Immer mehr Kunden fürchten, dass die im Voraus bezahlten Wohnungen niemals gebaut werden. Lieferanten und Subunternehmen haben sich bereits wegen Zahlungsausfällen beschwert; auf Baustellen ruhen die Arbeiten. Der Kurs an der Börse von Hongkong fiel seit Beginn des Jahres um fast 80 Prozent. Vor dem Firmensitz versammelten sich am Dienstag 60 bis 70 Frauen und Männer, die Polizei blockierte den Zugang zu dem Gebäude. Ein Mann namens Chen sagte AFP, Evergrande schulde seinem Chef umgerechnet 2,6 Millionen Euro - "und vielen Leuten hier sogar noch mehr". Alle seien "definitiv sehr besorgt". Es gebe keine Erklärungen; "sie hätten das Geld zahlen sollen, als es fällig war".

APA/AFP/NOEL CELIS

Evergrande unter "enormem Druck"

Evergrande räumte am Dienstag in einer Mitteilung an die Börse in Hongkong ein, man stehe unter "enormem Druck". Der Konzern habe Finanzberater eingestellt, die "alle machbaren Lösungen" prüfen sollten, um den Schuldenberg abzutragen. Es gebe aber keine Garantie, dass Evergrande all seinen finanziellen Verpflichtungen werde nachkommen können, warnte der Konzern. Er machte die negative Berichterstattung verantwortlich für die aktuelle Schieflage. Die Berichte hätten potenzielle Käufer abgeschreckt. Gerade der September sei der Monat, wo Immobilienverkäufer die besten Geschäfte machten.

Evergrande ist aber nicht nur in der Immobilienbranche tätig - 2019 gründete der Konzern den Elektroautohersteller Evergrande Auto, der bis heute allerdings kein einziges Fahrzeug verkauft hat. Auch in die Sektoren Tourismus, Internet, Digitalwirtschaft, Versicherungen und Freizeitparks investierte das Unternehmen. Zudem gehört ihm der Fußballclub Guangzhou FC in Kanton.

Bankrott hätte verheerende Auswirkungen

Ein Bankrott hätte enorme Auswirkungen - nicht nur auf die chinesische Volkswirtschaft, sondern auch auf die politisch erwünschte soziale Stabilität. "Der Kollaps von Evergrande wäre die größte Herausforderung für das chinesische Finanzsystem seit Jahren", sagte Mark Williams, Chefökonom Asien bei Capital Economics. Dann müsste die Zentralbank einschreiten und Evergrande stützen. Williams nannte eine Umstrukturierung des Konzerns das "wahrscheinlichste Szenario". Andere Baufirmen könnten die begonnenen Projekte übernehmen. Die Bilder wütender Menschen vor der Firmenzentrale könnten die Führung in Peking alarmieren, die soziale Proteste wenn möglich zu vermeiden sucht. Evergrande hat bereits Firmenanteile verkauft und Preisnachlässe für Wohnungen angeboten. Auch das Firmengebäude in Hongkong steht zum Verkauf.

Gegründet wurde der Konzern 1996 von Xu Jiayin, der zwischenzeitlich zum reichsten Mann Chinas aufstieg. Beim Börsengang 2009 sammelte Evergrande umgerechnet 7,6 Milliarden Euro ein. Der Niedergang begann im August 2020, als der Staat den Immobilienkonzernen die sogenannten "drei roten Linien" vorgab. Diese setzten den Firmen Grenzen für die Kreditaufnahme und zwangen sie, ihre Verbindlichkeiten zu reduzieren. Evergrande musste Immobilien mit immer höheren Preisnachlässen abstoßen. Vergangene Woche stuften zwei Ratingagenturen die Kreditwürdigkeit herab.

(APA)

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