Musikabenteuer

Johann Sebastian Bachs letzter Kontrapunkt

(c) Muth/Felix Broede
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Pianistin Eloïse Bella Kohn wagt sich im Muth und auf CD an die „Kunst der Fuge“ – und antwortet klug auf interpretatorische Probleme.

Kommenden Montag bietet sich die rare Gelegenheit, die „Kunst der Fuge“ live zu hören: Die französische Pianistin Eloïse Bella Kohn wagt sich an die Sammlung von Fugen und Kanons über ein und dasselbe herbe Thema, die Bach gegen Ende seines Lebens zu einer Sammlung vereinigt hat, deren letzter „Contrapunctus XIV“ unvollendet blieb. Sein Sohn versah das Manuskript mit der Eintragung: „Über dieser Fuge, bei der der Name BACH im Contrasubject angebracht worden, ist der Verfasser gestorben.“

Tatsächlich hat Bach in der gewaltigen Konstruktion dieser letzten großen Fuge seinen Namen ins Dickicht der Stimmen eingewoben. Dass er das Werk nicht vollenden konnte, hat zu vielen Spekulationen geführt, auch zu der Frage, ob dieser „Contrapunctus“ überhaupt in den Gesamtverband der „Kunst der Fuge“ gehört.

Um eine Antwort darauf ist Eloïse Bella Kohn ebenso wenig verlegen wie um die interpretatorischen Probleme, die sich einem Künstler stellen, der das Konvolut zum Klingen bringen möchte. „Die Kunst der Fuge“ hat man zuweilen als abstraktes Studienwerk betrachtet, eher zum Lesen als zum Musizieren. Auf diesen Gedanken käme man nicht, wenn man der Pianistin zuhört, wie sie die scheinbar theoretischen Konstruktionen in musikalische lebendige, elegante, teils sogar geradezu verspielt klingende Kunstwerke verwandelt. Kein einziges Mal steigt sie aufs Pedal – so weit gehen die Konzessionen an die Historie schon, aber dem akustischen Linienspiel folgt sie mit Geschmeidigkeit, spielt die Stimmen mit einer Agilität gegeneinander aus, dass jeglicher Zweifel verstummt, hier könnte es sich um kontrapunktische Studien handeln. Und jenen letzten „Contrapunctus“, der abbricht, wo sich Bach selbst ins Spiel zu bringen gedachte, ließ Kohn von ihrem Kontrapunktlehrer, Thierry Escaich, „vollenden“, der sich dieser Aufgabe mit Geschmack zu stellen wusste und souverän wie zuletzt vielleicht nur der große Organist Helmut Walcha – wenn auch ganz anders als dieser – dafür sorgte, dass unser Hörerlebnis nicht mittendrin jäh unterbrochen wird.

Auf der CD (Hänssler), die am Tag des Wiener Konzerts in den Handel kommt, koppelt Kohn ihr Bach-Abenteuer mit György Ligetis „Musica ricercata“, einem Versuch aus dem 20. Jahrhundert, die musikalische Erfindung aufs Strengste zu reduzieren; ein apartes Kontrastmittel.

Konzert im Muth: 20. September, 19.30 Uhr

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