Afghanistan

Taliban-Vizechef im TV-Interview: Taliban wie eine Familie

Mullah Abdul Ghani Baradar im afghanischen Fernsehen.
Mullah Abdul Ghani Baradar im afghanischen Fernsehen.VIA REUTERS TV
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Zuletzt gab es wilde Gerüchte über Streitereien in der Taliban-Führung. Vize-Chef Ghani Baradar ist nun zurück in Kabul und bemüht, die Einheit der Islamisten zu beschwören. Er habe Fake News mangels Internet auf Reisen nicht früher zerstreuen können.

Er war es, der in Katar an der Spitze des Taliban-Verhandlungsteams gestanden ist. Er war es, der mit westlichen Spitzendiplomaten direkt um die Zukunft Afghanistans nach seinen Vorstellungen gerungen hat. Mullah Abdul Ghani Baradar ist das Gesicht der Taliban in der westlichen Welt der Diplomatie. Dass er nicht Regierungschef wurde, hat so manchen überrascht. Er wurde Vize-Premier.

Schon bei der Verkündung des Kabinetts war von einem Richtungsstreit der radikal-islamistischen Gruppe die Rede. Und als in den letzten Tagen komplette Funkstille herrschte und Baradar und auch Regierungschef Akhundzada völlig von der Bildfläche verschwunden waren, kamen die ersten Gerüchte auf. Von Schießereien war die Rede, davon dass Baradar von Taliban-Mitkämpfern erschossen worden sei, dass er tot sei.

„Hatte kein Internet"

Letzteres Gerücht kann nun zu den Akten der Falschmeldungen gelegt werden. Am Mittwoch gab Baradar ein Interview im nationalen afghanischen Fernsehen, das das politische Büro der Taliban schließlich auf Twitter teilte. Darin nimmt der Vizepremier Stellung zu den Gerüchten: „Nein, das stimmt ganz und gar nicht. Gott sei gelobt, ich bin gesund und munter. Und was die Behauptung der Medien angeht, wir hätten interne Meinungsverschiedenheiten, so stimmt auch das nicht“, so Baradar, der die Stimmung unter den Taliban wie folgt beschreibt: "Gott sei gelobt, wir haben viel Freundlichkeit und Barmherzigkeit unter uns, wie es sie nicht einmal in einer Familie gibt. Darüber hinaus haben wir viele Jahre lang gelitten und Opfer gebracht, um die Besatzung zu beenden. Dabei geht es weder um Macht noch um eine Position."

Dass er nicht erreichbar war, begründete Baradar schlicht damit, dass er auf einer Reise außerhalb Kabuls gewesen sei und dabei keinen Zugang zum Internet gehabt hätte. "Deshalb versichern wir dem afghanischen Volk und allen ranghohen und jüngeren Mudschaheddin, dass sie sich keine Sorgen machen müssen und es auch keinen Grund zur Sorge gibt."

Und warum er als Vize-Premier nicht in Kabul gewesen sei, als der katarische Außenminister die afghanische Hauptstadt am Samstag besucht hatte? Auch dafür gibt Baradar eine Begründung in dem TV-Interview: „Wir wussten nicht, dass der Außenminister aus Katar kommen würde. Hätten wir das gewusst, hätten wir unsere Reise verschoben. Und da wir auf einer Reise waren, hat das Treffen nicht stattgefunden.“ Er hätte seine Reise nicht unterbrechen können. Laut Taliban-Offiziellen war er in der Provinz Kandahar unterwegs.

Immer schon an der Spitze der Taliban

Baradar hatte gemeinsam mit dem berüchtigten einäugigen Kleriker Mullah Omar während des afghanischen Bürgerkriegs nach dem Abzug der sowjetischen Besatzer Anfang der 1990er Jahre die Taliban-Miliz gegründet. 1996 kamen sie erstmals in Afghanistan an die Macht.

Knapp zehn Jahre nach ihrem Sturz durch den Einmarsch westlicher Truppen in Afghanistan wurde Baradar 2010 in Pakistan verhaftet, 2018 freigelassen und nach Katar überführt. Dort leitete er das politische Büro der Taliban. Mit der Machtübernahme der Islamisten in Kabul Mitte August kehrte er nach Afghanistan zurück.

Auch über den Tod des geheimnisumwobenen Chefs der Taliban, Haibatullah Akhundzada, wurde in den vergangenen Jahren häufig spekuliert. Zuletzt hatten die Islamisten auch dies zurückgewiesen. Akhundzada befinde sich in Kandahar und werde sich bald zeigen, hieß es. Bisher veröffentlichten die Taliban aber lediglich eine schriftliche Erklärung in seinem Namen.

(klepa/APA/AFP)

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