Ein ägyptischer Wiener als Radiomoderator

(c) FABRY Clemens
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Er schrieb Musicals, war Kabelträger beim ORF und landete schließlich als Moderator bei Radio Wien: Sascha Boctors Vater wurde in Ägypten, seine Mutter in Moskau geboren, er selbst sieht sich als echten Wiener.

Wien. „Ich bin einer der wenigen Wiener bei Radio Wien“, sagt Moderator und Betriebsratsvorsitzender Sascha Boctor. So weit, so ungewöhnlich. Doch Boctor ist in Wien einer der wenigen Moderatoren mit migrantischen Wurzeln. Für ihn selbst nichts Außergewöhnliches.

Der 41-Jährige sieht sich als Wiener, dessen Vater in Ägypten und dessen Mutter in Moskau geboren wurde. Wobei seine Mutter eine Altösterreicherin ist – ihr Vater war Mitglied des Schutzbundes und musste daher 1934 Österreich verlassen. Nach dem Krieg kehrte die Familie zurück. Sein Vater kam 1955 zum Studieren nach Wien.

Ob es andere Migranten bei Radio Wien gebe? Boctor überlegt lange. Zuerst verneint er, doch immer wieder kommt er drauf, dass es Kollegen mit griechischem oder französischem Migrationshintergrund gibt. „Daran sieht man, dass das in meinem Bewusstsein keine Rolle spielt, wer woher kommt.“ Dann fällt ihm noch ein, dass einige Kollegen Tiroler, Kärntner, Vorarlberger, Oberösterreicher und viele Steirer wären. „Also alles Migranten.“

Start als Kabelträger

Seit 1992 ist der lebensfrohe zweifache Familienvater bei Radio Wien. Das erste Honorar vom ORF bekam er allerdings bereits im Jahr 1988 als Kabelträger, „wie es sich für angehende Journalisten gehört“. Doch er zog sich vom Radiosender zurück, schrieb und produzierte lieber die Musicals „Die Legende“ und „Höllisches Glück“. Beide wurden im Theater Akzent aufgeführt. Das wiederum führte dazu, dass er als Studiogast bei der Sendung „Theaterwelt“ eingeladen wurde. Der damalige Moderator Kurt Lauermann fragte ihn nach dem Interview, ob Boctor für ihn arbeiten möchte. Mit einem Beitrag über das Jazzland begann er als Reporter. Moderator zu werden, hatte er aber stets im Hinterkopf, wie er heute sagt.

Wechsel ans Mikrofon

Schließlich kam das Jahr 1988: das Aufkommen der Privatradios und damit der Beginn der Personalrochaden. Einige Radio-Wien-Mitarbeiter wechselten. Boctor blieb und nutzte dabei die Gelegenheit, ans Mikrofon zu kommen. Fünf Jahre war er auch Radio-Wien-Ombudsmann. Heute moderiert er von Montag bis Freitag von 13 bis 16 Uhr die Sendung „Radio Wien Musiknachmittag“.

Ob seine migrantischen Wurzeln je Thema in der Redaktion waren? Wieder überlegt er lange, bevor er antwortet: „Es wäre zumindest nichts, was je jemandem aufgestoßen wäre“, meint er. „Eher das Gegenteil.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2010)

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