Migranten sind Nettozahler für die Pensionen

(c) AP (Thomas Kienzle)
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Zuwanderer zahlen derzeit mehr in die Pensionskassen ein, als sie herausbekommen. Und sie kommen schwerer an eine Rente heran. Ein Grund dafür ist der hohe Anteil an Erwerbstätigen unter den Migranten.

Wien. Der Ausländer, der es sich in der sozialen Hängematte bequem macht – diese Einschätzung von Migranten findet sich in den Köpfen vieler Menschen. Schaut man sich die tatsächlichen Zahlen an, sieht die Realität aber anders aus. „Heute zahlen Ausländer mehr in das Sozialsystem ein, als sie herausbekommen“, sagt Gudrun Biffl, Universitätsprofessorin an der Donau-Universität Krems. Eine Studie des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz für das Jahr 2008 belegt dies.

Nach den Berechnungen sind EU-Bürger und Drittstaatsangehörige Nettozahler für die beitragsfinanzierten Sozialsysteme Pensions-, Kranken-, Unfall-, Arbeitslosenversicherung und Familienlastenausgleichsfonds. Österreicher zahlen 89,3Prozent aller Beiträge und erhalten 93,8Prozent aller Geldleistungen. Ausländer zahlen 10,7Prozent ein, bekommen aber nur 6,2Prozent heraus.

Ein Grund dafür ist der hohe Anteil an Erwerbstätigen unter den Migranten. „Die Zuwanderer kommen meistens als junge Erwachsene“, sagt Bevölkerungswissenschaftler Rainer Münz. „Wenn sie Zugang zum Erwerbssystem haben, was auch davon abhängig ist, ob wir sie lassen, zahlen sie eine ganze Weile wesentlich mehr in die Sozialsysteme ein, als sie herausnehmen.“

Die Studien sind insofern problematisch, da die derzeit zahlende Generation nicht identisch mit jener ist, die Sozialleistungen erhält, also den Pensionisten. Dennoch spricht einiges für den positiven „Nettoeffekt der Zuwanderer“ für das Sozialbudget. Obere Einkommensschichten profitieren von den direkten Ausgaben des Staates für das Hochschulwesen und von der Wohnbauförderung mehr als untere Einkommensschichten, Ausländer weniger als Inländer. Studien belegen, dass von der Steuer- und Abgabenpolitik nur relativ geringe Umverteilungseffekte ausgehen.

Babyboomgesellschaft in Pension

Mit einer Babyboomgeneration, die stetig dem Rentenalter näherrückt, und fehlendem Nachwuchs bei der jungen Generation werden die Einzahler immer weniger, die Empfänger dagegen immer mehr. „Da wir in Österreich eine Schrumpfung der Bevölkerung haben, sind wir bei der Aufrechterhaltung des hohen Beschäftigungsniveaus auf Zuwanderung angewiesen“, sagte unter anderem auch Andreas Khol, Bundesobmann des VP-Seniorenbundes.

Durch den Nettobeitrag, den die Arbeitsmigranten bisher leisteten, konnten höhere Leistungen für Junge und Pensionisten erbracht werden, ohne dass die Beiträge der inländischen Erwerbsbevölkerung erhöht werden mussten.

Zuletzt richtete sich der Fokus vor allem auf hochgebildete Elitemigranten. „Das Fokussieren auf hoch Qualifizierte hat viel mit der Ausländerdebatte und dem Wahlkampf zu tun“, sagt Soziologe und Integrationsexperte Christoph Reinprecht. Für ihn gibt es wirtschaftliche Bereiche, deren Nachfrage an den Arbeitsmarkt nicht durch „Österreich als Nationalstaat“ zu befriedigen ist. Zum Großteil sind das aber eben nicht Managerpositionen, sondern gering qualifizierte, unterbezahlte Jobs – oder Schlüsselbeschäftigungen, die nicht hoch qualifiziert oder hoch bezahlt sein müssen, etwa im Pflegebereich.

Kein Eldorado

Außerdem: Dass Österreich ein Eldorado für hoch qualifizierte Zuwanderer ist, ist ohnehin eine Illusion. Denn dafür sind die Arbeitsmärkte zu sehr geschlossen. „Die Qualifizierten können es sich aussuchen. In den USA oder Kanada hat man etwa mit einer Greencard die Einreisemöglichkeit für die ganze Familie, Zugang zum Arbeitsmarkt und Aufenthaltsrecht bis zum Lebensende“, meint Rainer Münz – ein großzügigeres Angebot als in Europa.

„Es kann passieren, dass wir in Zukunft Schwierigkeiten bei der Rekrutierung dieser Leute bekommen“, so Münz. Um auf Elitemigranten setzen zu können, müsse die Aus- und Weiterbildung erleichtert werden. Auch der bestausgebildete Migrant muss derzeit ohne Nostrifizierung von Diplomen und ohne die Anerkennung von bereits erhaltenen Qualifikationen unter seinem Niveau arbeiten.

Nun leisten Migranten zwar einen großen Beitrag für das österreichische Pensionssystem. Werden sie allerdings selbst älter, müssen sie mit einigen Nachteilen des Systems fertig werden. „Im Prinzip ist das Pensionssystem farbenblind. Wer einzahlt, der bekommt auch Leistungen“, sagt Christoph Reinprecht. Doch würden Arbeitsmigranten meist über geringe Vordienstzeiten verfügen.

Außerdem arbeiten sie häufig in Dienstverhältnissen, die bei der Pensionsberechnung Nachteile bringen – etwa durch Unterbrechungen in der Arbeitsbiografie. Die Pensionsreformen, die die Durchrechnung über das ganze Erwerbslebensalter brachten, wirken sich besonders für Migranten nachteilig aus.

Eine Pension aus dem Herkunftsland kann die Differenz selten ausgleichen. Arbeitsmigranten sind häufig auf die Ausgleichszulage angewiesen – die wird allerdings nur bei Verbleib in Österreich ausgezahlt. Ein Problem für jene, die in der Pension wieder in ihre alte Heimat möchten. Experten sehen darin eine Frage, die möglichst bald angegangen werden sollte. Denn, so Rainer Münz: „Die Leute dürfen für ihre Mobilität im Altern nicht bestraft werden.“ Arbeitslose Migranten S.17

Auf einen Blick

Nettozahler: Laut einer Studie
des Sozialministeriums zahlen Ausländer mehr in das Sozialsystem ein, als sie herausbekommen.

Ergebnisse: Österreicher zahlen laut der Studie 89,3 Prozent der Beiträge und erhalten 93,8 Prozent aller Geldleistungen. Ausländer zahlen 10,7 Prozent ein, bekommen aber nur 6,2 Prozent heraus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2010)

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