Bawag-Prozess muss vermutlich wiederholt werden

(c) Michaela Bruckberger
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Die Generalprokuratur zerpflückt die Urteile gegen Elsner & Co. und plädiert für eine Teil-Neuaustragung des Bawag-Verfahrens. Eine komplette Neudurchführung des Verfahrens wurde teilweise befürwortet.

Wien. Claudia Bandion-Ortner, die frühere Richterin im Bawag-Verfahren um Helmut Elsner und Co., hat sich die Entwicklung „ihres“ viel beachteten Prozesses wohl anders vorgestellt. „Jeder Richter will, dass seine Urteile halten“, sagte sie am Dienstag vor Journalisten. Dieser Wunsch dürfte nicht in Erfüllung gehen. Die beim Obersten Gerichtshof (OGH) eingerichtete Generalprokuratur (eine Art oberste Anklagebehörde) ist der Ansicht, dass die Nichtigkeitsbeschwerden der neun Angeklagten teilweise berechtigt sind. Schließt sich der OGH dieser Auffassung an, ist zumindest mit einer teilweisen Neuaustragung des Prozesses zu rechnen.

Bei sechs der neun Verurteilten wird sogar eine komplette Neudurchführung des Verfahrens befürwortet. Dies möge der OGH in nicht öffentlicher Sitzung beschließen, fordert die Generalprokuratur sinngemäß. Aufatmen dürfen somit der Ex-Aufsichtsratsvorsitzende der Bawag, Günter Weninger (2,5 Jahre Haft, davon zwei Jahre bedingt), der Investmentbanker und Spekulant Wolfgang Flöttl (2,5 Jahre, davon 20 Monate auf Bewährung), die Ex-Bawag-Vorstände Christian Büttner (18 Monate bedingt), Hubert Kreuch (3,5 Jahre) und Josef Schwarzecker (3,5 Jahre) sowie der Wirtschaftsprüfer Robert Reiter (drei Jahre, davon zwei Jahre bedingt).

Für den mittlerweile 75 Jahre alten Ex-Bawag-Chef Elsner – er erhielt neuneinhalb Jahre Haft und sitzt wegen Fluchtgefahr seit Februar 2007 in U-Haft – stellt sich die Sache differenziert dar: Hier meint die Generalprokuratur, dass der vom Erstgericht angenommene Untreue-Schaden aus Spekulationsgeschäften – 1,72Milliarden Euro – großteils zu Recht angenommen wurde. Dem Ex-Banker wird beschieden, immerhin für den Verlust von 1,4Milliarden Euro verantwortlich zu sein. Von insgesamt 18Untreue-Anklagepunkten seien 14 gerechtfertigt. Vier seien aufzuheben.

Die Generalprokuratur bestätigt auch den inkriminierten Tatzeitraum 1995. Allerdings sind die obersten Ankläger mit weiteren Teilen des Elsner-Schuldspruches nicht einverstanden. Sowohl die Verurteilung wegen schweren Betruges – Elsner soll sich von der Bawag eine Pensionsabfindung von 6,8 Millionen Euro erschlichen haben – als auch jene wegen Bilanzfälschung seien verfehlt.

Sollte der Untreue-Schuldspruch weitgehend bestätigt werden, könnte die Staatsanwaltschaft hinsichtlich der dann noch offenen Differenzbereiche ihre Anklage zurückziehen. Dann würde es keinen neuen Elsner-Prozess mehr geben. Die Anklage ist dem Justizministerium weisungsgebunden.

Abgesehen von einer etwaigen teilweisen Wiederholung des Monsterprozesses bekrittelt die Generalprokuratur jedenfalls die in erster Instanz verhängten Strafen. „Vor allem Mängel an den Feststellungen des Erstgerichts haben uns veranlasst, bei allen Angeklagten die Aufhebung des Strafausspruchs zu empfehlen“, erläuterte Seidl. Das letzte Wort haben freilich die Höchstrichter.

Claudia Bandion-Ortner wies darauf hin, dass vor allem bei Helmut Elsner wesentliche Teile der Verurteilung die Zustimmung der Kontrollinstanz gefunden haben. Klar ist: Der OGH ist an die Rechtsansicht der Generalprokuratur nicht gebunden. In der Praxis folgt er dieser aber in vielen Fällen.

Indessen zeigte sich Elmar Kresbach, einer der früheren Verteidiger von Helmut Elsner – nämlich jener Anwalt, der die Elsner-Nichtigkeitsbeschwerde ausgearbeitet hatte – hochzufrieden: „Unsere Behauptung, das Verfahren sei schwer mangelhaft, erweist sich nun als richtig. Diese Entwicklung ist ein großer Erfolg und ein erstes Zeichen in Richtung Beendigung der U-Haft.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2010)

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