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VW-Prozess ohne die Hauptperson

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COMBO-GERMANY-AUTOMOBILE-COURT-VOLKSWAGENAPA/AFP/POOL/JULIAN STRATENSCHUL
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Am Donnerstag startete der Strafprozess gegen die Verantwortlichen des VW-Dieselskandals. Mit Ex-Konzernchef Martin Winterkorn fehlte jedoch der Hauptangeklagte.

Braunschweig. Vor ziemlich genau sechs Jahren ist der VW-Dieselskandal publik geworden. Damals gab die US-Umweltschutzbehörde EPA bekannt, dass der deutsche Autokonzern bei Dieselmotoren die Abgasreinigungsanlage manipuliert hat. Seither wurden von VW rund 32 Milliarden Euro für Strafen und Entschädigungen in die Hand genommen. Und auch vor Gericht war und ist der Dieselskandal oft ein Thema – etwa in Form von Klagen von Autobesitzern oder Aktionären gegen das Unternehmen.

Am Donnerstag startete nun aber der seit langem erwartete Strafprozess gegen die aus Sicht der Staatsanwaltschaft verantwortlichen Manager bei VW (ein Prozess gegen Audi-Manager ging bereits im Vorjahr los). Und zu Beginn hoben die Ankläger die aus ihrer Sicht klare Mitverantwortung von Ex-Konzernchef Martin Winterkorn hervor.

Nicht nur leitende Ingenieure und einige Mitglieder des mittleren Managements, sondern auch der frühere Vorstandsvorsitzende habe deutlich vor dem Einräumen des Betrugs gegenüber den US-Behörden von der Täuschungsstrategie gewusst, so der Vorwurf. Vor dem Braunschweiger Landgericht sind neben Winterkorn vier weitere ehemalige Führungskräfte des Autobauers angeklagt. Doch der Hauptangeklagte, der kurz nach dem Auffliegen des Skandals Ende September 2015 zurückgetreten war, muss zunächst nicht persönlich in der Hauptverhandlung erscheinen. Sein Verfahrensteil wurde vom Gericht aufgrund gesundheitlicher Probleme abgetrennt. Winterkorns Rolle war trotzdem bereits zum Start des Prozesses Thema. In der Verlesung der Anklage untermauerte und konkretisierte die Staatsanwaltschaft ihre Vorwürfe an den früheren Topmanager.

So habe Winterkorn nach Überzeugung der Strafverfolger etwa über die Notiz eines Vertrauten relativ frühzeitig erfahren, dass Dieselautos in den USA bei Tests von Wissenschaftlern im Jahr 2014 die Stickoxid-Grenzwerte um das 15- bis 35-fache überschritten. Er soll dies den Ermittlungsergebnissen zufolge zur Kenntnis genommen haben – die weitere Verwendung der Betrugssoftware habe er aber nicht stoppen lassen. „Er entschied sich gegen eine Offenlegung und hoffte, die Rechtsverstöße weiter verschweigen zu können“, so die Staatsanwaltschaft.

„Wir haben beschissen“

Spätestens bei einer Manager-Besprechung, dem sogenannten „Schadenstisch“, Ende Juli 2015 sei das „defeat device“ – die Software, die die volle Abgasregelung nur in Testsituationen aktivierte und im normalen Fahrbetrieb abschaltete – offen thematisiert worden. Winterkorn habe seinen Vertrauten zur Vorbereitung angerufen. Der hohe Mitarbeiter habe ihm gegenüber erklärt: „Wir haben beschissen.“ In der Sitzung sei unter anderem der Umfang drohender Strafzahlungen für rund 500.000 manipulierte Dieselfahrzeuge in den USA diskutiert worden. Doch der „befürchtete Wutausbruch“ Winterkorns, den leitende Ingenieure erwartet hätten, sei ausgeblieben. Alle Anwesenden seien sich einig gewesen, die Abschaltfunktion weiter gegenüber den Behörden zu verschweigen, so die Ankläger. Den fünf früheren Managern und Ingenieuren wird gewerbs- und bandenmäßiger Betrug vorgeworfen. Im Fall einer Verurteilung drohen Freiheitsstrafen bis zu zehn Jahren. (DPA/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2021)

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