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Gespräch von EZB-Chefökonom mit Volkswirten sorgt für Wirbel

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EZB-Chefvolkswirt Philip Lane soll gegenüber deutschen Experten interne Überlegungen offengelegt haben. Ein EZB-Sprecher bezeichnete den Bericht als "nicht genau“.

Ein Medienbericht über ein Gespräch von EZB-Chefvolkswirt Philip Lane mit deutschen Volkswirten über die mittelfristige Inflationsentwicklung sorgt für Wirbel. Die "Financial Times" (FT) berichtete, dass der Ire dabei interne Überlegungen offengelegt habe, wonach die Notenbank ihr Inflationsziel von zwei Prozent bis 2025 erreichen dürfte. Ein Sprecher der Europäischen Zentralbank (EZB) bezeichnete den Bericht in der Nacht auf Freitag als "nicht genau".

Lane hatte den Volkswirten laut FT in einer privaten Zusammenkunft gesagt, das mittelfristige Referenz-Szenario der EZB zeige, dass die Inflation kurz nach dem Ende der derzeitigen Prognoseperiode bei zwei Prozent landen sollte. Die EZB hat diese Langzeit-Prognose bisher nicht veröffentlicht. Lane dürfte deshalb mit Fragen konfrontiert werden, ob er interne Informationen an Personen außerhalb der Zentralbank weitergegeben hat - und wenn ja, warum. Ein EZB-Sprecher sagte dazu, Lane habe bei keiner Gelegenheit bei Treffen mit Analysten darüber gesprochen, dass die EZB ihr Zwei-Prozent-Ziel kurz nach dem Ende der Prognoseperiode erreichen werde. Zu der in dem Bericht erwähnten Jahreszahl 2025 schwieg sich der Sprecher aber aus.

Zinserhöhungbereits 2023?

Das spanische EZB-Ratsmitglied Pablo Hernandez de Cos trat den Spekulationen entgegen. Er sagte, die Schlussfolgerung des FT-Journalisten zur Zinspolitik sei grundsätzlich nicht mit der von der Zentralbank ausgegebenen Orientierungslinie für die Märkte vereinbar. Dies gelte für die in dem Bericht nahegelegte Möglichkeit einer Zinserhöhung im Jahr 2023. Diese käme in dem von der Zeitung dargelegten Szenario somit zu einem weit früheren Zeitpunkt, als es die Finanzmärkte derzeit erwarteten.

Die EZB-Volkswirte hatten vorige Woche ihre Prognosen aktualisiert. Die Ökonomen sagen für dieses Jahr eine Teuerungsrate von 2,2 Prozent voraus. Die Inflationsrate war im August auf 3,0 Prozent hochgeschnellt, den höchsten Wert seit rund zehn Jahren. Für 2022 hoben die Volkswirte ihre Inflationsprognose von 1,5 auf 1,7 Prozent an, für 2023 von 1,4 auf 1,5 Prozent.

Zwei Prozent als mittlefristiges Inflationsziel

Die EZB hatte sich unlängst ein neues mittelfristiges Inflationsziel von zwei Prozent gesetzt. Bisher hatte es auf knapp unter zwei Prozent gelautet. Mit dem neuen Ziel wurde auch eine Anpassung des Zinsausblicks notwendig. Die Währungshüter wollen nun ihre Leitzinsen solange auf dem aktuellen oder einem noch tieferen Niveau halten, bis absehbar ist, dass die Inflation zwei Prozent erreicht und dann erst einmal so bleibt.

In Deutschland ist die Teuerung nach europäischer Berechnung zuletzt sogar auf 3,4 Prozent geklettert. Die absehbar noch länger anhaltende Nullzinspolitik der EZB war vor dem Hintergrund der hohen Inflation zuletzt auch im Bundestagswahlkampf stärker thematisiert worden. Und Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hatte vor Kurzem gemahnt, das Risiko einer zu hohen Inflation nicht aus den Augen zu verlieren.

(APA)

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