Rahel More

Wenn Eltern Hilfe brauchen

Rahel More von der Universität Klagenfurt interessiert sich für das Verhältnis von Behinderung und Normen.
Rahel More von der Universität Klagenfurt interessiert sich für das Verhältnis von Behinderung und Normen. [ Karlheinz Fessl ]
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Die Sozialpädagogin Rahel More untersuchte die Situation von Müttern und Vätern mit Lernschwierigkeiten. Ihre Unterstützungsangebote seien höchst mangelhaft, so ihr Fazit.

Was gute Eltern – und insbesondere eine gute Mutter – ausmacht, ist nicht nur in unserer Gesellschaft sehr präsent, sondern auch in uns selbst tief verankert. Die Sozialpädagogin Rahel More von der Universität Klagenfurt hat in ihrer Dissertation erforscht, wie sich das auf Eltern mit Lernschwierigkeiten auswirkt. Die Ergebnisse der Studie, für die sie auch Fachkräfte befragt hat, sind nun in dem Buch „Disability, Elternschaft und Soziale Arbeit“ im Budrich-Verlag erschienen. „Mir ging es darum, die Fremd- und die Eigenperspektive zu verknüpfen“, erklärt die 31-Jährige. Die Mütter und Väter, die im Fokus ihrer Arbeit standen, hat sie verstreut über ganz Österreich und in verschiedenen Lebenskontexten stehend gefunden. So konnte überhaupt nur ein Teil mit seinen Kindern zusammenleben. Das kommt nicht von ungefähr.

Die Schatten der Zwangssterilisationen

Zur Person

„In Österreich sind vor allem Frauen mit Behinderung bis Anfang der 1990er-Jahre noch zwangssterilisiert worden. Die breite Öffentlichkeit sah das relativ unkritisch“, sagt More. Ein Verbot kam erst im Jahr 2001. „Es findet ein Umdenken statt, aber es stellt sich die Frage, was mit sozialem Druck immer noch erreicht wird.“ Um selbstbestimmte Elternschaft bei Menschen mit Behinderung und Lernschwierigkeiten zu fördern, brauchte es mehr Arbeit mit der Zielgruppe und bessere Unterstützungsangebote. An solchen fehlt es nämlich, so ein wichtiges Ergebnis von Mores Forschung. „Vielfach erhalten die Eltern von den Fachkräften wenig konkrete Anleitung, werden nur kritisiert, kontrolliert und bevormundet. Nur wenige bekommen Unterstützung, und wenn, empfinden sie diese häufig als eine ,falsche‘.“ Wichtig sei, dass die verschiedenen Systeme – Jugendhilfe und Angebote für Menschen mit Behinderung – miteinander kooperieren und die Hilfe langfristig angelegt ist. Allen voran müssten jene Strukturen beseitigt werden, die zu Ängsten bei den Eltern führen können, dass ihnen das Kind weggenommen wird.

Die Mütter und Väter mit Lernschwierigkeiten, mit denen More sich auseinandergesetzt hat, haben alle Diskriminierung und Diskreditierung in ihrer Elternrolle erfahren – sowohl im Privaten und im öffentlichen Raum, als auch durch Fachkräfte der sozialen Arbeit oder das Jugendamt: „Es wird ihnen nicht zugetraut, gute Eltern zu sein. Sie müssen sich ständig beweisen.“

Im Fall einer Fremdunterbringung der Kinder sei ein großes Problem, wenn auf die Bedürfnisse der Eltern keine Rücksicht genommen wird und Kontakte erschwert werden. Das Fehlen alternativer Entwürfe von Elternschaft gehört ebenso zu den großen Herausforderungen wie ein eingeschränktes Kontaktrecht oder die räumliche Distanz. „Mit Lernschwierigkeiten geht sehr oft auch Armut einher. Das bedeutet, dass der Besuch des Kindes schwierig werden kann, weil ein Busticket teuer ist.“ Welche Unterstützung brauchen Eltern mit Lernschwierigkeiten nun konkret? „Das ist ganz unterschiedlich“, betont More. „Das kann Hilfe am Morgen sein, um Kinder im Schulalter rechtzeitig fertig zu machen, oder jemand, der bei den Hausaufgaben, bei der Kommunikation mit Ämtern oder auch beim Hineinwachsen in die eigene Elternrolle unterstützt.“

Aktuell forscht More zum Thema Ableismus (Privilegierung und Marginalisierung basierend auf Fähigkeitsorientierungen). Künftig möchte sie das Verhältnis von Behinderung und Normen noch mehr in den Blick nehmen. Zu den Disability Studies ist sie in Island gekommen, wo sie studiert hat und als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität Island tätig war. In den hohen Norden hat es die gebürtige Klagenfurterin schon im Gymnasium als Austauschschülerin gezogen. Erst für ihre Promotion ist sie 2016 in ihre Heimatstadt zurückgekehrt – mit dabei: ihr isländischer Partner und ihre ersten beiden Kinder. Heute hält sie der mittlerweile dreifache Nachwuchs auf Trab. Die beste Zerstreuung von der Forschungsarbeit, wie sie konstatiert. Am liebsten ist More mit der ganzen Familie draußen in der Natur. Ob sie Island vermisst? „Wettermäßig zumindest nicht“, lacht sie. Und der jährliche Familienurlaub auf der Insel tut das Seine.Rahel More (31) forscht am Institut für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung der Universität Klagenfurt zum Thema Inklusion. Hier hat sie heuer mit einer Studie über die Bedeutung von Fremdzuschreibungen und Selbstverständnissen für Eltern mit Lernschwierigkeiten promoviert. Ihr Studium der Sozialpädagogik und Disability Studies hat sie an der Universität Island in Reykjavík absolviert.

Alle Beiträge unter: www.diepresse.com/jungeforschung

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