Der neue „Dune“-Film sei eine waschechte Weltraumoper, heißt es vielerorts. Doch was ist damit eigentlich gemeint? Wir empfehlen Filme und Serien, die das altgediente Science-Fiction-Subgenre geprägt und weiterentwickelt haben.
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Dune
Film, von David Lynch, 1984
Zu sehen auf Netflix
Mit der Neuverfilmung von Frank Herberts „Dune“ kehrt auch ein zuletzt etwas aus der Mode gekommenes Subgenre der Science-Fiction in den Popkultur-Diskurs zurück: die sogenannte Weltraumoper. Ursprünglich ein abschätziger Begriff, der sich – in Anspielung auf die Radio-„Seifenoper“ – über die Formelhaftigkeit von Fließbandfiktionen mit Weltraumsetting mokierte, gilt er inzwischen längst als legitime Gattungsbezeichnung. Strittig bleibt nur, was genau diese meint. Opulenz und viel Pathos gehören sicher dazu, ebenso Raumschiffe und fantastische Zukunftstechnologien. Aberwitzige Abenteuer und garstige Ungeheuer, melodramatische Liebesgeschichten und heldenhaft-messianische Hauptfiguren schaden jedenfalls nicht.
Schon die erste „Dune“-Verfilmung wartet mit diesen Qualitäten auf. Doch trotz Leitung und Stabilisierung durch seine Produzenten ist das 1980er-Wüstenplanetenspektakel voll und ganz ein Werk des Regisseurs David Lynch. Der Geist des Grotesken umweht diesen grandios gescheiterten Blockbuster, in dem Kyle MacLachlan die Angst in seinem Kopf besiegt und Kenneth McMillan als feister Baron Harkonnen durch die Lüfte fliegt wie ein diabolisch kudernder Ballon des Bösen.
Altered Carbon
Serie, von Laeta Kalogridis, seit 2018
Zu sehen auf Netflix
Nicht neue Planeten werden in dieser zwei Staffeln langen Serie erforscht, sondern die (ethischen) Grenzen von Unsterblichkeit: Jeder hier kann seinen im Nacken sitzenden Bewusstsein-Chip in einen neuen „Sleeve“, also (geklonten) Körper verpflanzen. Zumindest, wenn man das nötige Kleingeld dafür hat – wie die Superreichen, die sich nicht an Gesetze gebunden fühlen. Das Fußvolk kann sich indes keine (oder nur alte) Körper leisten. In dieser Welt wird Takeshi Kovacs wiedererweckt (verkörpert von Joel Kinnaman, Anthony Mackie und Will Yun Lee). Er gehörte der Widerstandsbewegung um Quellcrist Falconer an (charismatisch: Renée Elise Goldsberry), deren Ziel es war, den Tod wieder einzuführen. Sterblichkeit als das Einzige, was Menschen von (intelligenten) Maschinen trennt: eine erfrischende Perspektive.
Die Star-Wars-Saga
Film- und Serienreihe, ersonnen von George Lucas, ab 1977
Zu sehen auf Disney+
Wer Weltraumoper sagt, muss auch „Star Wars“ sagen. Der Sensationserfolg des Astromärchens aus den 1970ern wendete den Schmähbegriff ins Positive und zeitigte eine Welle mehr oder weniger inspirierter Imitationen. Kaum eine wahrte die Balance zwischen komplexer Sci-Fi-Mythologie und sagenhaft simpler Erzählung so gut wie die Sternenkriege. Bis heute spülen sie Geld in die Kassen und Streaming-Abonnenten in den Hafen von Disney+, wo Serien wie „Clone Wars“, „The Mandalorian“ oder demnächst die Anime-Hommage „Star Wars: Visions“ das Epos in alle erdenklichen Richtungen weiterspinnen. Nun versucht Denis Villeneuves „Dune“, eine Art Noir-Variation des Stoffs für die Generation Klimawandel aufzubereiten. Die Ironie: „Star Wars“-Schöpfer George Lucas bediente sich für seine Sternenstory selbst bei Frank Herberts „Dune“-Romanen.
Aelita
Stummfilm, von Jakow Protasanow, 1924
Zu sehen auf archive.org
Auch der Sowjetmensch träumte von fremden Planeten. Anfangs noch in sozialen Utopien schwelgend, später zusehends als Fantasieflucht vor stalinistischem Terror. Im wegweisenden Stummfilm „Aelita“ herrscht noch das Prinzip Hoffnung. Ein Ingenieur aus Moskau will auf den Mars. Dort waltet eine Königin, die sich per Teleskop in ihn verliebt hat. Einen Raketenstart später trifft er sie fernab der Erde – und wird in einen Arbeiteraufstand verwickelt. Sternenkreuzer Potemkin, gratis im „Internet Archive“.
Final Space
Animationsserie von Olan Rogers, drei Staffeln seit 2018
Zu sehen auf Netflix
Diese Animationsserie hat alles, was eine Weltraumoper braucht: Planeten, die via Sternenkreuzer in (gefühlten) Sekunden erreichbar sind, böse Mächte, die rechtschaffene Helden in ihren Bann zu ziehen versuchen, treue (wenn auch oft ziemlich nervige) Roboter und junge Draufgänger, die den Wert der Freundschaft über alles stellen. Tja, und dann wäre da noch ein Kindskopf, der in fünf Jahren extraterrestrischer Einzelhaft weit genug ins manische Spektrum gerutscht ist, dass er mit seinem Kühlschrank flirtet. Ein knuffiges grünes Alien-Tierchen, das im Pokémon-Manier nur ein Wort spricht („Chookity!“), mit seinem Laserblick aber ganze Planeten zerstören kann. Und ein Kopfgeldjäger, der eine humanoide Katze ist und Avocato heißt.
Der Grat zwischen liebevoller Genre-Hommage und infantiler Verblödelung ist schmal, und „Final Space“ balanciert darauf bravourös. Im Rahmen einer dichten Handlung, die dramaturgische Konventionen völlig unterläuft (so mancher Showdown passiert ganz beiläufig), zeigt Serienmacher und YouTube-Komiker Olan Rogers, wie nah beieinander das Durchgeknallte und das Herzerweichende, das Knallige und das Melancholische liegen können.