Buch der Woche

Das Elend einer Trinkerin

Symbolfoto zum Thema Alkoholismus: Eine Frau sitzt allein zu Hause an einem Tisch mit einem Glas Rotwein. Berlin, 23.01.
Symbolfoto zum Thema Alkoholismus: Eine Frau sitzt allein zu Hause an einem Tisch mit einem Glas Rotwein. Berlin, 23.01.(c) imago images/photothek (Thomas Trutschel/photothek.de via www.imago-images.de)
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Douglas Stuart hat einen berührenden Debütroman geschrieben, er schöpft dabei aus Autobiografischem. In „Shuggie Bain“ kämpft der Titelheld um das eigene Überleben – vor allem aber um das seiner Mutter.

Agnes Bain hat sich wieder einmal volllaufen lassen. Nun sitzt sie schluchzend auf der Bettkante, lässt sich zurückfallen und zieht ihren fünfjährigen Sohn Shuggie zu sich: „Als sie ihn an sich presste, sah er, dass ihr Gesicht verrutscht war, die Farbe über den Augen verschmiert und verlaufen.“ Die Mutter raucht, sie singt, ihre Stimme ist voller Selbstmitleid. Dann zündet sie mit ihrer Zigarette die Vorhänge aus Polyester an, hält ihren Sohn auch noch fest, als das Feuer bereits an die Decke schlägt. „In ihren Augen lag eine tödliche Ruhe.“ Wie reagiert das Kind? Die Apathie der Mutter verdrängt seine Angst, er bewundert, wie das Lodern tanzende Schatten an die Wand wirft, die Tapete lebendig wird. „Agnes drückte ihn an sich, und zusammen sahen sie schweigend all der neuen Schönheit zu.“

Der Brand, mit dem die Mutter ihrem Leben und dem ihres Kindes fast ein Ende setzte, geht gerade noch gut aus, aber er ist der Beginn des weiteren Abstiegs einer zerbrechenden Familie. An dieser tief traurigen Geschichte, die autobiografisch gefärbt ist, hat Douglas Stuart zehn Jahre gearbeitet. Mit seinem Debütroman gewann der zuvor als Modedesigner erfolgreiche Glasgower 2020 den Booker Prize. „Shuggie Bain“, dieses Buch der Tristesse, aber auch der Liebe, zeigt in voller Härte und zugleich poetisch das Schicksal einer Trinkerin aus der Perspektive ihres jüngsten Kindes. Es spielt großteils in den Achtzigerjahren im Sozialbau von Glasgow, in der Hochzeit der konservativen britischen Premierministerin Margaret Thatcher, als Zeche um Zeche stillgelegt und ewig gestreikt wurde, als parallel zum neoliberalen Aufstieg (vor allem im Süden) besonders im Norden die Armut bis zur Verwahrlosung zunahm.

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