In Burka gehüllte Bettlerin mit Kind in einer Marktgegend in Mazar-i-Sharif, Nordafghanistan.
Reportage

Im „Emirat“ der Taliban brodelt es

Die Islamisten versprechen nach der Machtübernahme in Afghanistan das Blaue vom Himmel. Das Volk bleibt skeptisch. Ein Lokalaugenschein aus der Grenzstadt Mazar-i-Sharif.

In der Hand hält er einen Mini-Koran mit Goldschnitt. Rechts am Sessel lehnt eine Kalaschnikow. Der Talib mit Bart und Turban schiebt eigentlich Wache an der afghanischen Grenze zu Usbekistan. Aber er ist so versunken in die heilige Schrift, dass ihn die Ankommenden wenig kümmern. Er winkt sie müde weiter. Bei der Gepäckkontrolle herrscht dagegen ausgelassene Stimmung. Koffer und Rucksäcke werden scherzend durchwühlt. Danach gibt's einen aufmunternden Klaps auf die Schulter, und es heißt: „Geht in Frieden!“

Die Ankunft im neuen „Emirat Afghanistan“ ist weit unkomplizierter, als man es erwartet hat. An Checkpoints grüßen die Krieger überschwänglich freundlich und rufen: „Foto, Foto!“ Bei jedem Bild mit den Ausländern aus dem Westen gackern die Taliban wie verspielte kleine Kinder. Man merkt an der sorglosen Ausgelassenheit: Sie sind am Ziel ihrer Wünsche angelangt. Nach 20 Jahren Kampf hat Amerika, ihr größter Feind, seine Truppen abgezogen und ihnen das Land überlassen. Die Taliban sind nun die neuen Herrscher Afghanistans und können es nach ihrer Façon umkrempeln. Eine Regierung haben sie bereits gebildet. Die Geschlechtertrennung im öffentlichen Leben ist auf den Weg gebracht. Musik und Frauen sind mittlerweile aus Radio und Fernsehen verbannt. Viel scheint nicht mehr zu fehlen, bis das Ideal ihres Gottesstaats komplett ist.

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