Traumata

Wenn sich Tiere zu Tode fürchten

Wer entkommt, dem gräbt sich die Erinnerung in das Gehirn und mahnt zu Vorsicht.
Wer entkommt, dem gräbt sich die Erinnerung in das Gehirn und mahnt zu Vorsicht.Chris Harvey / Mary Evans / picturedesk
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Nicht nur Menschen, auch Tiere können Traumata erleiden, die ihr Gehirn verändern und ihr Verhalten lange Zeit beeinflussen.

Alle zehn Jahre vermehren sich im Nordwesten Kanadas erst die Schneeschuhhasen stark und dann ihre Räuber, Luchse und Kojoten. Die dezimieren die Beute, bis fast keine mehr da ist, dann dünnen auch sie sich aus, manche verhungern, andere wandern ab. Nun könnten die Hasen wieder aufblühen, sie tun es aber erst nach vier, fünf Jahren: So lang sitzt ihnen die Furcht in den Knochen bzw. im Gehirn, sie wagen sich weniger aus der Deckung, versorgen sich und ihre Jungen schlechter. Das hatten sie gelernt, als sie bedroht waren, sie behielten es bei, als die Gefahr sich verzogen hatte, die Erinnerung hat sich ins Gedächtnis eingegraben, so wie Narben in die Haut es getan haben.

Räuber bestimmen also das Verhalten von Beute doppelt, durch wirkliche Attacken – bei denen nur Flucht helfen kann (oder Kampf) – und durch die Möglichkeit von Attacken durch die bloße Anwesenheit von Räubern. Das wurde 1999 von Joel Brown (University of Illinois) unter dem Titel „Ökologie der Furcht“ formalisiert (Journal of Mammology 80, S. 385), erkundet hat man es in Experimenten, etwa einem mit besonderen Jägern und Beutetieren, Spinnen und Heuschreckennymphen: Die platzierte Oswald Schmitz (Yale) in drei Terrarien: Im ersten war die Beute echtem Jagddruck ausgesetzt, im zweiten nur der Furcht – den Spinnen hatte Schmitz die Mäuler verklebt –, das dritte blieb spinnenfrei. Auch dort kamen nicht alle Heuschrecken durch, aber nebenan, bei den Spinnen, die nicht töten konnten, starben 20 Prozent mehr, nur zehn Prozent weniger, als von den wirklich gefährlichen erlegt wurden (Ecology 78, S. 1388).

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