Roman

Wiener Melange in Kreuzberg

Sven Regener: „Glitterschnitter“
Sven Regener: „Glitterschnitter“Galiani Berlin
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Sven Regener bleibt auch in „Glitterschnitter“ der Westberliner Künstlerszene der Achtzigerjahre treu.

Dass in einem Berliner Roman schon in der zweiten Zeile das französische Wort Melange in der exklusiv österreichischen Bedeutung vorkommt, das ist so ungewöhnlich wie erfreulich. Gewiss, auch schon in Sven Regeners vorigem Roman „Wiener Straße“ (2017) traten sowohl eine Kaffeemaschine als auch eine Menge Österreicher auf, aber diesmal wird im Café Einfall explizit das klassische Sahne-Obers-Schisma diskutiert. Zeit genug dafür haben sie ja, die liebenswerten Figuren, die uns Regener vorführt. Schließlich befinden sie sich im Westberlin der Achtzigerjahre, im Osten Kreuzbergs, und dort, abgeschirmt von der Mauer, kennt man keine Eile, zumindest nicht unter (Lebens-)Künstlern.

Sven Regener, hauptberuflich Sänger und Trompeter der meist melancholisch gestimmten Band Element of Crime, hat 2001 erstmals einen Roman veröffentlicht, der in diesem Soziotop spielt. Nicht zufällig wird am Ende von „Herr Lehmann“ – als Nebenhandlung! – die Öffnung der Mauer berichtet: Regener ist mit diesem (auch erfolgreich verfilmten) Buch ein großartiges Porträt einer ganz speziellen Szene gelungen, das zugleich auch ein gut – weil unmerklich – konstruierter Liebes-, Künstler- und Freundschaftsroman war. Seither bleibt er diesem Milieu treu, aber die Spannung schwindet von Buch zu Buch. Man fühlt sich beim Lesen wie bei einem ausgedehnten Milchkaffee-Frühstück in einer Punk-Pensionisten-WG: gemütlich, aber matt. Da wird sogar die Ottakringer Shakespeare-Kampfsportgesellschaft zur trägen Bohème-Folklore. TK

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