Wort der Woche

Wie kam Homo sapiens in die Welt?

Die Entwicklung des Klimas bestimmte, wann Homo sapiens seinen Siegeszug um die ganze Welt antreten konnte.

Wie kam der moderne Mensch – der Homo sapiens – in die Welt? Hat er sich gleichzeitig in mehreren Regionen aus dem Vorläufer, dem Homo erectus, entwickelt? Oder ist er in Afrika entstanden und von dort aus in alle Welt gewandert? Viele Hinweise legen die „Out of Africa“-These nahe: Homo sapiens hat, nachdem er sich vor rund 200.000 Jahren vermutlich in Ostafrika entwickelt hatte, in der Folge den Nahen Osten besiedelt und ist von dort bis Ostasien (und weiter nach Australien bzw. Amerika) und bis Europa gewandert.

Die Indizien dafür kommen aus unterschiedlichsten Bereichen – aus archäologischen Funden, genetischen Untersuchungen und anatomischen Veränderungen, aber auch aus verschiedenen Varianten von Helicobacter pylori und Bandwürmern.

Ein weiteres Indiz haben nun Forscher um Robert Beyer (Uni Cambridge, Potsdam Institut für Klimafolgenforschung) vorgelegt. Sie haben die klimatischen Bedingungen am „Flaschenhals“ zwischen Afrika und Asien rekonstruiert, wo es zwei mögliche Wanderungsrouten gibt: eine nördliche über die Halbinsel Sinai und eine südliche über die Meerenge von Bab al-Mandab. Anhand von Meeressedimenten, Pollenanalysen und Spuren von Seen, die einst in heutigen Wüsten lagen, wurde ermittelt, zu welchen Zeiten es genug Niederschlag (mindestens 90 mm pro Jahr) gab, um Trockengebiete durchwandern zu können, bzw. ob der Wasserstand niedrig genug war, um die Meerenge (heute 27 Kilometer breit, zwischenzeitlich nur vier Kilometer) mit einfachen Mitteln zu überqueren (Nature Communications, 24. 8.).

Demnach gab es in den vergangenen 300.000 Jahren einige Zeitfenster mit günstigen Wanderungsbedingungen – und diese stimmen mit den archäologischen Spuren des Homo sapiens überein.

Die sich öffnenden und schließenden Zeitfenster erklären auch einen bisher verwirrenden Befund: Nach vereinzelten, rund 110.000 Jahre alten Überresten des Homo sapiens im Nahen Osten klafft eine Zehntausende Jahre lange Fundlücke (nach Europa kam Homo sapiens überhaupt erst vor rund 40.000 Jahren). Nun gibt es eine Erklärung dafür: Nach einer ersten Migrationswelle vor rund 130.000 Jahren schlossen sich die Wanderrouten; dadurch wurde die Homo-sapiens-Population im Nahen Osten isoliert und starb mangels „Nachschub“ aus.

Erst die erneute Öffnung der Wege zwischen Afrika und Asien vor rund 65.000 Jahren ermöglichte schließlich die dauerhaft erfolgreiche Expansion des Homo sapiens in alle Welt.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com

www.diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2021)

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