Gastbeitrag

Schenken vorbei am Pflichtteil: Schwenk des OGH im Erbrecht

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Verschenkt der Eigentümer sein Haus außerhalb der Familie und behält er sich die Vermietung vor, ist damit neuerdings das „Vermögensopfer“ sofort erfolgt. Das schwächt die pflichtteilsberechtigten Erben.

Wien. Den nächsten Angehörigen (Kindern, Ehegatte oder eingetragener Partner) kommt im Erbrecht eine besondere Stellung zu. Die Hälfte der gesetzlichen Erbquote ist ihnen als Pflichtteil zugesichert und muss vom Erblasser respektiert werden. Die Testierfreiheit kann nur in den Grenzen des Pflichtteilsrechts ausgeübt werden. Hält sich der Erblasser nicht daran, riskiert er die Anfechtung seiner Anordnungen und Streitigkeiten nach dem Tod. Im germanischen Recht drückte sich der Vorrang der Familienerbfolge gegenüber der Testierfreiheit in dem sinnfälligen Rechtssprichwort aus: „Wer will wohl und selig sterben, lass sein Gut dem rechten Erben.“

Damit sich der Pflichtteil nicht so leicht durch lebzeitige Verfügungen „aushebeln“ lässt, trifft das Erbrecht Vorkehrungen für die Anrechnung von Schenkungen und unentgeltlichen Zuwendungen. Zuwendungen an pflichtteilsberechtigte Personen werden der Berechnung unbefristet hinzugeschlagen, um einen gerechten Ausgleich zu schaffen. Schenkungen an Personen außerhalb des engsten Familienkreises (z. B. Privatstiftung, Lebensgefährte, Freund, Geliebte, Pflegerin oder Schwiegerkind) hingegen erhöhen den Pflichtteil nur dann, wenn sie innerhalb von zwei Jahren vor dem Tod „wirklich gemacht“ wurden. In dieser Differenzierung spiegelt sich das Prinzip der Familienerbfolge. Liegt die Schenkung an Außenstehende länger als zwei Jahre zurück, wird nicht vermutet, dass der Erblasser seine Liebsten verkürzen wollte.

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