New York

Die UN-Vollversammlung will kein "Super-Spreader-Ereignis" werden

Das UN-Hauptquartier in New York - samt neuem Kunstwerk "World in Progress II" ist Schauplatz des traditionellen herbstlichen Diplomatie-Gipfeltreffens.
Das UN-Hauptquartier in New York - samt neuem Kunstwerk "World in Progress II" ist Schauplatz des traditionellen herbstlichen Diplomatie-Gipfeltreffens.via REUTERS
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Die Pandemie ist nicht vorbei, trotzdem werden über 80 Staats- und Regierungschefs über die Krisen der Welt beraten. Es wird eine Premiere für US-Präsident Biden. Österreich ist dreifach vertreten. Die wichtigsten Punkte des Diplomatie-Gipfels in New York.

Es ist nicht das ganz große Comeback der internationalen Diplomatie, auf das die Vereinten Nationen gehofft hatten. Doch nach einer Verbannung in die Online-Welt im vergangenen Jahr wird die 76. Generaldebatte der UN-Vollversammlung ab Dienstag (21. September) wieder viele der mächtigsten Politiker der Welt nach New York bringen - mit Beschränkungen und daher in Maßen.

Die Flure des UN-Hauptquartiers am East River werden nicht wie sonst zu Generaldebatten überquellen - New York und die UN haben die Größe der Delegationen stark limitiert. Das gilt auch für US-Präsident Joe Biden, den britischen Premier Boris Johnson oder den deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und etwa 80 weitere Staats- und Regierungschefs. Unter ihnen sind auch Österreichs Staatsoberhaupt Alexander Van der Bellen und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Dazu reist auch Außenminister Alexander Schallenberg (ebenfalls ÖVP) nach New York.

Streit um Impfpflicht

"Wir müssen alle Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass es nicht zu einem Super-Spreader-Ereignis wird", mahnte die amerikanische UN-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield zuletzt. Die Stadt New York wollte auch eine Impfpflicht durchsetzen, was UN-Generalsekretär António Guterres mit der Begründung zurückwies, er könne ungeimpften UN-Mitgliedern nicht den Zutritt verweigern.

Stattdessen gilt bei den UN das sogenannte "Ehren-System": Jeder, der das UN-Gebäude in New York betritt, bestätigt damit, in den vorherigen zehn Tagen nicht positiv auf das Virus getestet worden zu sein, keine Symptome und keinen Umgang mit Erkrankten gehabt zu haben. Zudem sind die sonst zahlreichen Nebenveranstaltungen auf dem UN-Gelände stark eingeschränkt - einige Gespräche und Treffen gibt es deshalb in den diplomatischen Vertretungen oder Hotels.

Heikle Themen ohne Ende

Bei einer Woche Debatte bleibt Zeit für die größten Themen der Gegenwart. Dabei sollten das Afghanistan-Desaster und die notwendige humanitäre Hilfe sicherheitspolitisch den größten Raum einnehmen. Doch auch dem auf der Kippe stehenden politischen Prozess in Libyen könnte in New York ein weiterer Impuls gegeben werden.

Auch der neue Außenminister Irans, Hussein Amirabdollahian, kommt - zu möglichen Treffen am Rande der Veranstaltung mit Blick auf die Atomverhandlungen schweigen sich die westlichen Staaten aber aus. Nicht auszuschließen ist außerdem, dass Frankreich und die USA angesichts ihres U-Boot-Streits das Gespräch miteinander suchen.

Über die regionalen Krisen hinaus wird die Erderwärmung ein voraussichtlich überragendes Thema mit mehreren Veranstaltungen werden. Vor der vom Scheitern bedrohten Klimakonferenz im November in Glasgow laden Guterres und der britische Premier Johnson am Montag zu einer Diskussion hinter verschlossenen Türen ein, an der auch Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Amtskollege Kurz virtuell teilnehmen.

Premiere für US-Präsident Biden

Viele Beobachter sehen Bidens ersten Auftritt als US-Präsident bei der Vollversammlung als spannendsten Moment des kommenden Woche. "Biden kann einen recht herzlichen Empfang bei den UN erwarten - aus dem einfachen Grund, dass er nicht Donald Trump ist", erklärt Richard Gowan, UN-Experte des Thinktanks Crisis Group. Für Bidens Rede zum Auftakt am Dienstag erwartet Gowan einen Fokus auf die Bekämpfung des Klimawandels und auch auf die Corona-Pandemie.

Besonders interessant wird dabei, wie stark Biden dabei gegen China austeilt. Sein Vorgänger Trump hatte eine aggressive Kampagne gegen Peking gefahren, sodass UN-Chef Guterres sogar vor einem neuen Kalten Krieg warnte. Eine direkte Antwort von Chinas Staatspräsident Xi Jinping kann der US-Präsident in New York dabei nicht erwarten: Wie auch Russlands Staatsoberhaupt Wladimir Putin kommt Xi nicht.

Biden-Initiative: Impfstoff-Verteilung

Biden plant für Mittwoch zudem einen hochrangig besetzten, virtuellen Gipfel zur gerechteren internationalen Verteilung von Impfstoffen. Dabei soll es vor allem um konkrete Zusagen für die Bereitstellung von mehr Vakzinen für ärmere Länder gehen - in Afrika sind beispielsweise erst etwa drei Prozent der Menschen geimpft. Ziel ist es, 70 Prozent der Weltbevölkerung bis Mitte nächsten Jahres geimpft zu haben.

Inmitten der heißen Phase des Wahlkampfes fliegt Frank-Walter Steinmeier als deutsche Überraschungslösung nach New York. Normalerweise vertritt der Außenminister die Bundesrepublik bei der Generaldebatte. Angesichts der nahenden Bundestagswahl aber schickt Berlin den überparteilichen Präsidenten - Steinmeier wird am Freitag laut Bundespräsidialamt nach Karl Carstens 1983 erst der zweite Bundespräsident sein, der bei der Veranstaltung spricht.

Wer vertritt Afghanistan und Myanmar?

Eine spannende Frage wird es sein, ob und von wem Afghanistan und Myanmar vertreten werden. Der afghanische UN-Botschafter Ghulam Isaczai wurde ernannt, bevor die Taliban die Macht an sich rissen. Auch Myanmars Vertreter Kyaw Moe Tun begann seine Arbeit vor dem Putsch in seinem Heimatland im Frühjahr. Nach seinen Verurteilungen des Militärs versuchte die Regierung Kyaw Moe Tun zu ersetzen. Bisher erfolglos - denn für die Ernennung eines neues Botschafters müssen die UN die Führung eines Landes als legitim anerkennen. Es kann deshalb sein, dass die Sitze der beiden Länder leer bleiben.

Und schließlich darf Rande der Generalversammlung auch auf ein bisschen Star-Appeal gehofft werden. Der südkoreanische Regierungschef Moon Jae-in machte die Mitglieder der weltweit bekannten K-Pop Boyband BTS kurz vor der Generaldebatte zu "Sondergesandten des Präsidenten für zukünftige Generationen und Kultur". Ihr erster Auftrag: Moon nach New York zu begleiten.

(APA/dpa)

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