Morgenglosse

Macht der Video-Assistent den Fußball kaputt?

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Der Video-Assistent-Referee polarisiert Österreichs Fußball. Für die einen ist VAR ob minutenlanger Unterbrechungen ein Stimmungskiller, für andere ist die Technik der einzige Ausweg aus ewigen Konjunktiv-Fantasien. Zwei Weltanschauungen.

JA: Das Tor und der Jubel, der im Stadion erstirbt

Der Videobeweis ist weder fair noch ein Fortschritt.

Fußball war schon immer ein Sport, bei dem einem der Jubel im Hals stecken bleiben kann. Etwa, wenn die Fahne des Linienrichters rauf geht, während man noch ein Tor bejubelt, das keines mehr sein darf. Oder wenn der Schiedsrichter die rote Karte zückt.

Was aber Fußballfans seit der Einführung des Videobeweises angetan wird, hat mit der Natur des Fußballs nicht viel zu tun, der auch von der Unmittelbarkeit lebt. Egal, ob die Entscheidung via VAR für oder gegen das eigene Team ausfällt. Aus der Echtzeit gerissen, verliert der Sport seine emotionale Wucht.

Malt der Schiedsrichter ein Eck in die Luft, macht keiner mehr müde Witze über Manner-Schnitten, sondern es wird schlagartig still im Stadion. Minuten vergehen, in denen die Zuschauer in ihrem Gefühlszustand eingefroren werden. Wird das Tor gegeben, hat der Folgejubel etwas Schales, ihm fehlt die Euphorie, der Moment ist vorbei.
Es liegt aber ohnehin an der Idee des VAR, dass mehr Tore aberkannt werden als gegeben. Millimeter entscheiden: Zehenspitzen und Ellbogen sind zu den wichtigsten Körperteilen geworden. Und über die Videoaufnahme gebeugt, interpretieren wiederum fehlbare Menschen, was sie sehen. Torlinientechnik ist unbestechlich. Der Videobeweis ist es nicht. Er gaukelt Fairness vor und frustriert, das ist bewiesen.

Friederike Leibl (friederike.leibl-buerger@diepresse.com)

NEIN: Ohne Konjunktiv und fabelhafte Schwalben

Der Videobeweis macht Fußball fairer. Fehler macht der Mensch.

Österreich ist das Land der Konjunktiv-Fußballweltmeister und deshalb liegt es auf der Hand, dass der Einzug der Technik angefeindet wird. Durch sie haben was-wäre-wenn-Fantasien endlich ausgedient. Die TV-Bilder zeigen, was passiert ist und was nicht.

Mit dem Video-Assistant-Referee (VAR) wird der Fußball fairer. Kein hinterhältiges Foul bleibt ungeahndet. Groteske Abseitstore sind fast verschwunden. Und heikle Strafraumsituationen werden, ob es Wiener Trainern passt oder nicht, anhand der Bilder von in Meidling sitzenden „Experten“ analysiert. Selbst der Referee vor Ort kann sich die Szene noch einmal ansehen. Obwohl das Procedere in der Bundesliga weiterhin langwierig und oft gar amateurhaft anmutet, führt am Einsatz der Technik kein Weg mehr umhin.

Unbestritten ein Manko ist, dass Menschen darüber urteilen, ob es ein Elfer oder eine fabelhafte Schwalbe war. Nicht jede Entscheidung ist sattelfest, da besteht im ÖFB, dem das Schiedsrichterwesen und damit der VAR obliegen, dringender Schulungs- und Aufholbedarf. Die Technik an sich trifft keine Schuld. Sie darob abzulehnen, ist vollkommen falsch. Jetzt weiß man, ob es ein regelkonformes Tor oder doch die Hand im Spiel war. Oder der Richtige die rote Karte gesehen hat.

Fußball ist Sport und kein Schauspiel. In Österreich jedoch nach Schlusspfiff oft ein Drama.

Markku Datler (markku.datler@diepresse.com)

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