Mit Präsident Van der Bellen, Kanzler Kurz und Außenminister Schallenberg sind gleich drei Vertreter Österreichs nach New York gereist. Die USA fürchten einen „Superspreader"-Event.
Die UNO-Generalversammlung in New York ist das diplomatische Mega-Ereignis des Jahres: Ende September reisen die Staats- und Regierungschefs der 193 UN-Mitgliedsstaaten in die US-Metropole, um im Glaspalast der Vereinten Nationen am East River über die wichtigsten Fragen der Weltpolitik zu debattieren. Die Corona-Pandemie hatte dem Treiben im vergangenen Jahr einen Strich durch die Rechnung gemacht; die Versammlung fand nur Online statt. In dieser Woche soll das wieder anders sein – und aus Wien sind mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bundeskanzler Sebastian Kurz und Außenminister Alexander Schallenberg gleich drei österreichische Spitzenvertreter nach New York gekommen.
„Dass die UNO-Generalversammlung stattfindet, zeigt, dass es Schritte zurück in die Normalität gibt“, sagte Kanzler Kurz bei einem Pressebriefing vor Journalisten in der österreichischen UN-Vertretung am Montag. Die Freude auf Seiten des Gastgeberlandes hält sich darüber allerdings in Grenzen: Wegen der aggressiven Delta-Variante des Coronairus fürchten die US-Behörden, dass der diplomatische Mega-Event zur „Superspreader“-Veranstaltung werden könnte.
Die USA hatten die Staats-und Regierungschefs deshalb gedrängt, nicht nach New York zu kommen: „Angesichts der derzeitigen Gesundheitslage sollten die Delegationsleiter erwägen, ihre Statements per Video abzugeben“, hieß es in einer Mitteilung. Vergebens: Mindestens 83 Staats- und Regierungschefs hätten sich angesagt, hieß es im Vorfeld. Die Weltorganisation versucht nun einen Kompromiss und hat strenge Regeln aufgestellt: Pro Land dürfen nur vier Personen in die Generalversammlung; eine Maske ist Pflicht. Viele Veranstaltungen außerhalb der Generaldebatte werden virtuell abgehalten, bilaterale Gespräche in die Vertretungen außerhalb des UN-Geländes verlagert.
„Sand im außenpolitischen Getriebe"
Die Stadt New York hatte sogar gefordert, dass die anreisenden Delegierten eine Impfung nachweisen müssten. Das aber stieß auf wütenden Protest vor allem von Seiten Russlands, dessen Botschafter Vassily Nebenzia die Regelung als „diskriminierend“ geißelte. Nun verlässt man sich auf die Zusagen der Mitgliedsstaaten.
Die österreichische Staatsspitze hält die persönlichen Kontakte bei der Generalversammlung jedenfalls für notwendig. „Schmerzlich abgegangen“ seien die Begegnungen im vergangenen Jahr, konstatierte Außenminister Schallenberg. „Wir haben gesehen, dass in der Pandemie Sand ins außenpolitische Getriebe gekommen ist.“ Die Coronakrise sei zum Brandbeschleuniger von Konflikten geworden. Auch Präsident van der Bellen betonte, das UN-Treffen sei eine beispiellose Gelegenheit, Staatschefs aus aller Welt zu treffen.
Afghanistan, Corona-Pandemie, Klimakrise
Tatsächlich hat Österreich in New York ein dichtes Programm. Nach der offiziellen Eröffnung der Generalversammlung am Dienstagvormittag haben Kurz und Schallenberg zu einem Runden Tisch über die Krise in Afghanistan geladen. Mit dabei: Nachbarstaaten, Regierungsvertreter wie Dänemarks Premierministerin Mette Frederiksen und UN-Flüchtlingshochkommissar Filippo Grande. Wien hat im Vorfeld bereits angekündigt, 20 Millionen Euro für Nothilfe zur Verfügung zu stellen.
Auch die Corona-Pandemie bleibt überragendes Thema. US-Präsident Joe Biden, der am Dienstag erstmals vor der UN-Generalversammlung spricht, leitet am Mittwoch einen virtuellen Covid-Gipfel. Dass nur ein Teil der Staaten in New York vertreten sei, sei auch ein Beleg für die immer noch ungleiche Impfstoff-Verteilung, sagte Kurz. Österreich spende daher zwei Millionen Impfdosen bilateral an andere Staaten und 650.000 an die Covax-Initiative der Weltgesundheitsorganisation.
Weiterer Schwerpunkt: die Klimakrise. Van der Bellen hat dazu eine Reihe von Gesprächen geplant, unter anderem mit dem UN-Sonderbeauftragten für Klimaschutz, Mark Carney, und dem österreichischen Klimaexperten Gernot Wagner, der an der New York University forscht.
Daneben stehen im Verlauf der Woche zahlreiche bilaterale Gespräche auf dem Programm. Außenminister Schallenberg trifft unter anderem seine Kollegen aus Libyen, Pakistan, Tunesien, Armenien und Katar. Auch ein Gespräch mit dem neuen iranischen Außenminister, Hossein Amir-Abdollahian, ist angesetzt. Kanzler Kurz wird außerdem vor dem renommierten Council on Foreign Relations sprechen und mit Ex-US-Außenminister Henry Kissinger zusammenkommen.