Mein Dienstag

Der David Hasselhoff von Frankreich

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TOPSHOT-FRANCE-MUSIC-CELEBRITIESAPA/AFP/CHRISTOPHE ARCHAMBAULT
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Die Lederkluft, der Lidstrich, das reptilienhaft erstarrte Antlitz - und eine unfreiwillig komische Stimme: welchen Narren nur haben die Franzosen am Rocker Johnny Hallyday gefressen?

Warm glost in meinem Busen die Liebe zu Frankreich, bin ich dort, möchte ich nirgendwo anders sein, und wenn ich das nötige Kleingeld sowie ein entsprechendes Gewässer hätte, ich kaufte dem armen Präsidenten Emmanuel Macron die schönen U-Boote ab, die ihm die Australier vertragsbrüchigerweise nicht abnehmen.

Doch eines will sich mir nicht erschließen: Woher rührt diese Begeisterung für Johnny Hallyday? Hallyday, falls Sie es gewusst haben, ist auch fast vier Jahre nach seinem Ableben noch immer der populärste Musiker Frankreichs. „In seiner Stimme, in seinen Liedern, in seinem Gesicht hatte er diese unbestimmbare Menschlichkeit, die einen durchschaut und dafür sorgt, dass man sich weniger allein fühlt“, sprach Macron am 9. Dezember 2017 beim Staatsbegräbnis.

Ernsthaft, Manu? Fangen wir mit der Stimme an: ein unangenehmes Organ, das unfreiwillig komisch wirkt, weil er zugleich wie ein „Rocker“, aber auch „schön“, quasi Belcanto singen wollte. Hören Sie sich, zur Bestätigung, einen seiner größten Hits an, „Allumer le Feu“. Ich kenne kein einziges wirklich gutes Lied von Hallyday. Die halbwegs annehmbaren aus seiner Jugend hätten Michel Polnareff oder Claude François viel schöner gesungen. Dazu die Lederkluft. Der Lidstrich. Das reptilienhaft erstarrte Antlitz.

Johnny Hallyday, den muss man sich vorstellen als – nun, als David Hasselhoff von Frankreich. Allerdings mit einem wesentlichen Unterschied: „The Hoff“ ist sich seiner Groteskerie bewusst, seine Selbstironie macht ihn erträglich. Doch welches Selbstbild hatte ein Mann wie Hallyday, der noch als weit über 60-Jähriger im Video zu „Allumer le Feu“, das damit beginnt, dass er zwei rohe Eier mit Tabasco frühstückt, sich beim Gewichtheben stilisierte?

Immerhin beweist der französische Staat jenen Humor, den Hallyday nie hatte. Vorige Woche wurde ihm in Paris eine „Esplanade Johnny Hallyday“ gewidmet – direkt neben dem Finanzministerium. Welch' drollige letzte Ehre für diesen notorischen Steuerschwindler.

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