UN-Generalversammlung

Bidens UNO-Premiere: „Wir wollen keinen Kalten Krieg“

Joe Biden spricht vor der UNO-Vollversammlung.
Joe Biden spricht vor der UNO-Vollversammlung.REUTERS
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Beim ersten Auftritt vor der Weltgemeinschaft schlägt US-Präsident Biden versöhnliche Töne an – und kalmiert im Konflikt mit China. Die Vereinigten Staaten seien bereit, mit jeder Nation zusammenzuarbeiten.

Joe Biden lässt auf sich warten. Es dauert ein paar Minuten, bis der US-Präsident am Dienstag als zweiter Redner auf das Podium der UNO-Generalversammlung tritt. Es ist seine erste Rede vor den 193 UN–Mitgliedstaaten – und er stellt gleich klar, dass nach dem wilden Wüten seines Vorgängers Donald Trump in der internationalen Zusammenarbeit eine neue Zeitrechnung anbrechen soll. „Wir sind an einem Wendepunkt in der Geschichte“, sagt Biden. Angesichts von Kriegen, Terrorismus und Hunger, der Klimakrise, Coronapandemie und globaler Ungleichheit müsse die Welt „zusammenarbeiten wie niemals zuvor“. Und: „Wir sind zurück am Tisch internationaler Foren, vor allem in den Vereinten Nationen.“

Zweifel der Verbündeten

Biden weiß, dass er hier viel Überzeugungsarbeit leisten muss. Nicht nur, weil in vier Jahren „America First“-Politik Trumps viel Vertrauen verloren gegangen ist, sondern auch aufgrund seiner eigenen Politik. Vor allem zwei jüngste Ereignisse überschatten sein Versöhnungsangebot an die Staatengemeinschaft: Der chaotische Abzug aus Afghanistan hat Zweifel aufkommen lassen, wie ernst es den USA in einer Krise mit der Zusammenarbeit mit Verbündeten wirklich ist. Und das neue Bündnis mit Großbritannien und Australien und der geheim verhandelte Deal über nuklearbetriebene U-Boote hat viele Europäer vor den Kopf gestoßen – allen voran Frankreich.

Auch deshalb erinnert Biden an die Rückkehr der USA ins Pariser Klimaabkommen, die Weltgesundheitsorganisation, den UN-Menschenrechtsrat. Er verspricht eine Verdoppelung der Milliarden für die Bekämpfung der Folgen des Klimawandels in armen Ländern, fordert einen neuen Finanzierungsmechanismus, um für zukünftige Gesundheitskrisen besser gewappnet zu sein. Und mit Blick auf Afghanistan: „Wir eröffnen eine neue Ära unermüdlicher Diplomatie.“ Zum ersten Mal seit 20 Jahren stünden die USA nicht mehr im Krieg. Ein US-Militäreinsatz werde künftig das letzte, nicht das erste Mittel der Wahl darstellen.

„Wir wollen keine Welt mit Blöcken“

Fast 20 Minuten dauert es, bis Biden auf das Thema zu sprechen kommt, das viele mit Spannung erwartet haben: den Wettstreit mit China. Doch auch hier wählte der US-Präsident gemäßigte Worte statt direkter Konfrontation. Jede Weltmacht habe die Verpflichtung, die gegenseitigen Beziehungen sorgfältig zu gestalten, „damit sie nicht von verantwortungsvollem Wettbewerb in einen Konflikt kippen“, sagt Biden, ohne die Volksrepublik beim Namen zu nennen. Amerika werde konkurrieren und an der Seite seiner Verbündeten stehen. „Aber wir wollen keinen neuen Kalten Krieg oder eine Welt, die in starre Blöcke geteilt ist.“ Und: „Die Vereinigten Staaten sind bereit, mit jeder Nation zusammenzuarbeiten, die eine friedliche Lösung für gemeinsame Herausforderungen sucht – selbst wenn wir starke Unstimmigkeiten haben.“

Eine direkte Antwort Xi Jinpings ist nicht zu erwarten: Chinas Staatschef ist nicht nach New York gereist; seine Rede wurde per Video übermittelt. Auch Irans neuer Hardliner-Präsident, Ebrahim Raisi, hält sich bei der Generalversammlung bedeckt: Er hat seinen Außenminister, Hossein Amir Abdollahian, entsandt, den Außenminister Alexander Schallenberg noch am Dienstag zu einem bilateralen Gespräch treffen wollte.
Biden versicherte in seiner Rede die Bereitschaft, zum Atom-Deal zurückzukehren, wenn auch der Iran seine Verpflichtungen einhalte. Wie es bei den Verhandlungen weitergeht, ist noch offen. Ein Treffen in New York dazu ist nicht geplant. Doch in Teheran erklärte ein Sprecher, weitere Gespräche in Wien könnten binnen Wochen beginnen.

Kurz lobt Bidens Bekenntnis zur Zusammenarbeit

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat sich am Dienstag in New York nach der Rede von Biden erfreut gezeigt, dass die "USA ein klares Commitment zum Multilateralismus" abgegeben haben. Die Notwendigkeit zur internationalen Kooperation "wird eher mehr als weniger werden", betonte Kurz.

Auch in "Richtung China" habe es eher versöhnliche Töne gegeben, freute sich der Bundeskanzler. "Da ist nicht Öl ins Feuer gegossen worden und das finde ich persönlich gut, denn was wir seit einiger Zeit erleben, ist natürlich ein Wettlauf zwischen den USA und China um die globale Vorherrschaft." Da eine Zuspitzung zu erfahren, wäre "insbesondere für uns ins Europa denkbar schlecht". Daher sei er froh, dass es "vom amerikanischen Präsidenten eher versöhnliche Töne gegeben hat".

Klimaschutz: Große Länder sollen Beitrag leisten

Zum Thema Klimaschutz stellte Kurz zudem die positive Rolle Österreich in den Vordergrund: "Österreich ist ein kleines Land, aber wir sind in vielen Bereichen gut aufgestellt und Vorbild." Österreich sei ein Land, "das auf Atomstrom schon lange verzichtet und bald 100 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren Energien gewinnt". Allerdings würden weltweit nur "zwei Promille der Emissionen" aus Österreich kommen, rechnete der Kanzler vor. "Es ist gut, dass wir ambitioniert sind, aber wenn anderswo auf der Welt nicht mitgegangen wird, nutzt das alles nichts." Daher sei es gut, dass UNO-Generalsekretär António Guterres mehr Aktivitäten eingefordert habe. Je eher große Länder wie die USA oder China, welche "die Masse der Emissionen auslösen, da Beiträge leisten" würden, desto eher "kann dieser globale Kampf gewonnen werden."

Am Rand der UNO-Generaldebatte stand für Kurz (ÖVP) am Dienstagnachmittag noch ein Treffen mit seinem australischen Amtskollegen Scott Morrison auf dem Programm. Mit Australien sei er seit "Beginn der Pandemie in einem engen Austausch gestanden", erinnerte der Bundeskanzler."Wir haben bewusst den Kontakt gesucht mit Ländern wie Australien, Südkorea, Israel und anderen Staaten, die früher von der Pandemie betroffen waren und teilweise mehr Pandemie-Erfahrung haben." Österreich habe mittlerweile "im internationalen Vergleich eine sehr hohe Durchimpfungsrate", meinte Kurz, stellte aber fest: "Sie muss noch höher werden." Es sei klar, "dass die Antwort nur die Impfung sein können. "Wir werden uns nicht die nächsten Jahre einschränken, wollen nicht auf das gesellschaftliche Leben verzichten, daher kann es nu durch die Impfung funktionieren."

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