Kritik

Debatte um Pensionen: "Nimmt man Experten ernst oder nicht?"

Archivaufnahme von Walter Pöltner, 2010
Archivaufnahme von Walter Pöltner, 2010(c) Clemens Fabry, Presse
  • Drucken

Die Politik habe auf den Rücktritt von Walter Pöltner nicht angemessen reagiert, kritisieren Pensionsexperten. Insbesondere die ÖVP betreibe einen fehlgeleiteten Wohlfühlpopulismus.

Walter Pöltner, der Leiter der Alterssicherungskommission, hat angekündigt, seine Funktion per Jahresende zurückzulegen. Die Begründung: Was man an Erkenntnissen gesammelt habe, würde von der Politik nicht ausreichend beachtet. „Der Gap zwischen dem, was ich für sinnvoll erachte und dem, was politisch möglich ist, ist zu groß“, sagte Pöltner zur „Presse“. Einen Standpunkt, den Pensionsexperte Bernd Marin nachvollziehen kann. In anderen Ländern würden Rücktritte solcher Persönlichkeiten „ein mittleres bis größeres politisches Erdbeben auslösen, möglicherweise auch eine Regierungskrise“, sagte er am Mittwoch im Ö1-„Morgenjournal“ und verglich Pöltner unter anderem mit der italienischen Wirtschaftswissenschaftlerin Elsa Fornero.

In Österreich sei das hingegen anders: Mit Ausnahme der Neos, hätte keine politische Partei angemessen auf den angekündigten Abgang des Experten reagiert, befand Marin.

Ähnlich der Sozialrechtsexperte Wolfgang Mazal. Er bedauere den Rücktritt Pöltners, sagte er im ORF-Radio. „Aus meiner Sicht ist die Gretchenfrage zu beantworten, ob man Experten ernst nimmt oder nicht“, zieht er einen Vergleich zur Klimadebatte. Hier würde „allenthalben gefordert“, Wissenschaftler und damit Experten zurate zu ziehen. „In Pensionsfragen ist das seit Jahren offensichtlich nicht der Fall“, sagte Mazal. Vielmehr stehe das Ignorieren von Spezialisten auf der innenpolitischen Agenda.

Und das, obgleich gerade bei der geplanten Erhöhung der kleinen Pensionen sehr viel auf dem Spiel stehe: „Die Anhebung von Kleinpensionen ist nicht zielgerichtet, um Altersarmut zu verhindern. Hier gibt es andere Wege.“ Das habe „systemische Gründe“. Um diese verstehen zu können, müsste man sich aber „fünf Minuten Zeit nehmen“. Diese Zeit werde offenkundig nicht aufgebracht. Denn: dann würden wohl andere Maßnahmen gesetzt.

Ein Urteil, das Marin teilt. Dass sich die Politik nicht bewege, sei wohl einem „Wohlfühlpopulismus“ geschuldet, mutmaßt er. Die neue Volkspartei unter Bundeskanzler Sebastian Kurz habe einen 180-Grad-Schwenk vollzogen: „Entgegen allen früheren schwarzen ÖVP-Positionen.“ 

(hell )

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Austrian Chancellor Kurz and Vice Chancellor Kogler at Government meeting
Glosse

Eine „Reform-Regierung“ im Wahlkampf

Wer glaubt, dass nur SPÖ-Kanzler vor wichtigen Wahlen die Pensionisten-Karte ziehen können, hat sich getäuscht.
Symbolbild: Pensionisten
Beschluss

Ministerrat fixiert Pensionsanpassung für 2022

Bruttopensionen bis 1000 Euro werden mit 1. Jänner um drei Prozent erhöht. Für Pensionen von 1000 bis 1300 Euro kommt eine Einschleifregelung, für Pensionen darüber gilt die Inflation.
Der Leiter der Alterssicherungskommission, Walter Pöltner, wirft das Handtuch.
Alterssicherung

Kleine Pensionen stiegen seit 2004 um 42 Prozent

Die Kritik an der außertourlichen Pensionsanpassung hält an, der Leiter der Alterssicherungskommission tritt zurück.
Pensionen

"Will nicht immer den Bösen spielen": Leiter der Alterssicherungskommission tritt zurück

Die Regierung habe die Erkenntnisse der Alterssicherungskommission zu wenig beachtet. Die jüngsten Pensionsbeschlüsse hätten das Fass zum Überlaufen gebracht.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.