Schifffahrt-Studie

Pro Tag sieben Unfälle

Totalverluste werden zwar seltener, Schäden durch Schiffsbrände und Containerverluste nehmen aber zu.

Die Zahl der Unglücksfälle ist im Zehn-Jahre-Vergleich zwar um rund 50 Prozent zurückgegangen und die Totalschäden befinden sich auf einem historischen Tiefstand – dennoch steht die internationale Schifffahrt vor schwierigen Aufgaben: „Die anhaltende Besatzungskrise, zunehmende Probleme mit Großschiffen, wachsende Besorgnis über Verzögerungen und Unterbrechungen in der Lieferkette sowie die Einhaltung von Umweltauflagen stellen die Reeder vor große Herausforderungen im Risikomanagement“, erklärt Stefanie Thiem, Hauptbevollmächtigte der Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS) in Österreich.

Laut einer aktuellen Studie der Allianz waren im Vorjahr weltweit 2703 Schiffe in einen Unfall verwickelt, 49 große Schiffe gingen verloren. Maschinenschäden waren demnach mit 40 Prozent die Hauptursache für Schiffsunfälle, aber auch Schäden durch Brände an Bord haben zuletzt deutlich zugenommen und ein Viertel aller Totalschäden verursacht. Der Verlust von Containern auf See schnellte ebenfalls in die Höhe, wodurch nicht nur Lieferketten unterbrochen wurden, sondern auch ein erhöhtes Verschmutzungs- und Navigationsrisiko entstand. Zudem boomte die Piraterie, insbesondere im Golf von Guinea: Bei 22 Vorfällen wurden 130 Besatzungsmitglieder entführt, so viele wie nie zuvor. Und schließlich wächst die Angst vor Cyberangriffen, von denen die vier größten Schifffahrtsunternehmen der Welt bereits alle betroffen waren (siehe dazu auch Seite F5). Mögliche künftige Attacken könnten kritische maritime Infrastruktur, etwa einen wichtigen Hafen oder eine Schifffahrtsroute, betreffen, warnen die Studienautoren.

Größere Schiffe – größere Risken

„Weil man den Treibstoff so effizient wie möglich zu nutzen versucht, werden Schiffe immer größer. Die durchschnittliche Kapazität von Containerschiffen hat sich in den letzten Jahren mehr als verdoppelt, während die Kapazität der Häfen durchwegs unverändert blieb“, berichtet Thiem. Dadurch vergrößerte sich die Unfallgefahr, ebenso wie Lieferverzögerungen kaum vermeidbar wurden. Im Juni 2021 gab es schätzungsweise eine Rekordzahl von 300 Frachtschiffen, die auf die Einfahrt in überfüllte Häfen warteten.

Problematisch sei zudem die Situation der Schiffsbesatzungen geworden. Zeitweilig befanden sich laut Allianz rund 200.000 Seeleute an Bord von Schiffen, die aufgrund der Covid-19-Beschränkungen nicht in ihre Heimat zurückkehren konnten. Neue Crew-Mitglieder seien unter solchen Bedingungen kaum zu finden, was der internationalen Schifffahrt noch erhebliche Probleme bereiten könnte, heißt es in der Studie. (red./ebe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2021)

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