In den Markt der Abholstationen kommt Bewegung. Neue Anbieter ermöglichen es KEP-Dienstleistern und stationären Händlern, ihre Sendungen und Waren rund um die Uhr abholbereit zu deponieren.
Der Onlinehandel boomt stärker denn je, und daran ist nicht zuletzt die Coronapandemie schuld. Das Resultat: Laut Marktforscher Branchenradar stieg die Zahl der im B2C-Geschäft versandten Pakete 2020 gegenüber dem vorangegangenen Jahr auf 185,2 Millionen – ein Plus von knapp einem Drittel.
Das bequeme Einkaufen im Internet macht allerdings nur dann wirklich Freude, wenn die Zustellung klappt oder das Packerl zumindest jederzeit bequem in der Nähe von Wohnung oder Büro abgeholt werden kann. Deshalb bringt der Trend zum Online-Shopping eine weitere neue Entwicklung: Paketboxen an verkehrsgünstig gelegenen Orten, die rund um die Uhr zugänglich sind und vollautomatisch funktionieren. Die Österreichische Post hat dabei als erster Paketdienstleister mit dem Aufbau eigener Abholstationen begonnen, wehrt sich aber bis heute, ihr mittlerweile dichtes Netz den Mitbewerbern zugänglich zu machen.
Abholboxen für jedermann
Das ruft andere Anbieter auf den Plan: den Telekommunikationsriesen A1 etwa, der mittlerweile knapp 50 solcher offener Paketboxen anbietet. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Wien. Genützt werden sie bereits von GLS Austria: „Unsere Pakete lassen sich dort kontaktlos und rund um die Uhr versenden oder abholen“, erzählt Christian Schöninger, Managing Director bei GLS Austria. Seine Kunden können sich ihre Bestellungen durch das ShopDeliveryService direkt an eine der Stationen liefern oder sie im Rahmen des FlexDeliveryService an eine solche umleiten lassen. „Auch Retoursendungen lassen sich an den A1-Paketstationen bequem verschicken“, ergänzt Schöninger.
A1 hat mit seinen Boxen nicht nur Paketdienstleister als Kunden im Visier, sondern will damit auch dem regionalen Handel mit seinen limitierten Öffnungszeiten eine Möglichkeit bieten, mit den großen Wettbewerbern aus dem Internet zumindest in puncto Abholservice gleichzuziehen. Der Händler aus dem Bezirk etwa kann in den A1-Boxen bestellte oder eingekaufte Waren seiner Kunden deponieren, die diese dort bequem nach Ladenschluss abholen. Margarete Gumprecht, Handelsobfrau der Wirtschaftskammer Wien (WKW), kann dieser Entwicklung durchaus etwas abgewinnen: „Ich sehe in dieser Art der Zustellungen einen wichtigen Mosaikstein für den regionalen Handel, denn besonders die 24/7-Erreichbarkeit ist ein wichtiger Pluspunkt.“ Und auch für die Umwelt ist ein flächendeckendes Entnahmeboxen-System eine gute Sache – es reduziert vergebliche Zustellversuche und spart damit CO2-Emissionen.
WienBox gestartet
Damit dieses Netz in Wien möglichst dicht wird, haben heuer die Wiener Lokalbahnen das Netzwerk WienBox initiiert. Darin sind neben den A1-Paketstationen auch die Niederlassungen anderer Anbieter wie beispielsweise DPD vertreten. Insgesamt hat WienBox 206 Standorte mit mehr als 7200 Fächern. Monika Unterholzner, Geschäftsführerin der Wiener Lokalbahnen und Initiatorin von WienBox: „Als Logistikunternehmen – mit den Lokalbahnen Cargo etwa sind wir europaweit tätig – haben wir uns intensiv mit dem Thema Citylogistik beschäftigt, daraus entstand dieses Projekt.“ Die WienBox will als Dachmarke für alle offenen Boxensysteme agieren: „Durch Vernetzung der einzelnen Anbieter zu einem flächendeckenden System lassen sich die Wege auf der letzten Meile optimieren“, sagt Unterholzner. Nicht nur Paketdienste und der Wiener Handel sollen das Angebot nutzen, auch die Unternehmen der Wiener Stadtwerke überlegen, wie die WienBoxen für ihre eigenen logistischen Abläufe genützt werden können. Private will man ebenfalls gewinnen – um etwa einen Wohnungsschlüssel für Besucher zu deponieren.
Post bleibt sich treu
Bei der Post sieht man die zunehmende Anzahl an offenen Paketboxen gelassen: „Wir bieten mittlerweile mehr als 55.000 Empfangsboxen, über 91.000 Fächer in Abholstationen und mehr als 460 Versandboxen“, hält Peter Umundum, Post-Vorstand für Paket & Logistik, dagegen. Seine eigene Infrastruktur will der Marktleader weiterhin nicht – wie das in Deutschland teilweise der Fall ist – für Mitbewerber öffnen. Umudum verweist auf die hohe Auslastung der Systeme und meint: „Wir investieren sehr fokussiert in unsere Infrastruktur, die wir auch brauchen, was bei vielen anderen Anbietern nicht gegeben ist.“
Amazon, einst größter Postkunde und seit 2018 mit einem eigenen Zustelldienst in Österreich aktiv, hat mittlerweile ebenfalls ein Netz an 24/7-Abholstationen aufgebaut. Sie finden sich meist an Tankstellen und funktionieren vollautomatisch mit einem Code. Bei der Auswahlliste der Amazon-Hubs poppen allerdings nach wie vor Adressen auf, an denen sich 24/7-Paketboxen der Post befinden – unter dem schlichten Titel „Wunsch-Abholstation“.
AUF EINEN BLICK
Die geschlossenen Empfangsboxen-Netze etablierter Paketdienstleister wie der Post AG erhalten zunehmend Konkurrenz:
• Telekom-Anbieter A1 hat mittlerweile 50 offene Abholstationen mit Schwerpunkt Wien etabliert.
• Die Wiener Lokalbahnen haben das offene Netzwerk WienBox mit 206 Standorten und mehr als 7200 Fächern initiiert.
• Das Start-up Myflexbox adressiert mit seinen smarten Abholstationen Private, stationäre Händler und Standortpartner.
• Amazon betreibt vor allem an Tankstellen ein eigenes Netz an Abhol-Hubs.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2021)