Die Union setzt im Finale auch auf die scheidende Kanzlerin. Aber es läuft dabei nicht alles nach Plan.
Stralsund. In der Hansestadt Stralsund, einer Schönheit aus Backstein im Nordosten der Republik, versucht die Union zu retten, was noch zu retten ist. Hier will sie eine späte Wende einleiten in diesem Wahlkampf. Mit Angela Merkels Hilfe. Aber bald verdunkelt sich die malerische Szenerie am Alten Markt. Zuerst wird das Wetter unfreundlicher, es gießt in Strömen, dann die Stimmung. Den ganzen Abend lang werden giftige Parolen über den Marktplatz hallen: „Hau ab!“ oder „Wir sind das Volk!“
Als Merkel und Unionskanzlerkandidat Armin Laschet auf die Bühne vor dem rot ausgeleuchteten Rathaus zusteuern, vorbei an Regenschirmen und Handyfotoknipsern, müssen die Black Eyed Peas aus den laut aufgedrehten Boxen gegen Schreihälse hinter den Absperrgittern ansingen. Die Szenen erinnern an den Wahlkampf 2017, als Merkel auf den ostdeutschen Marktplätzen hemmungslos ausgepfiffen wurde, nur mit dem Unterschied, dass diesmal offenbar viele Coronaleugner lärmen – und dass die zu hörende Parole „Merkel muss weg!“ ein wenig aus der Zeit gefallen wirkt. Weil die Kanzlerin ja gar nicht mehr antritt.
Merkels Planänderung
In Stralsund vollzieht sich an diesem Abend im Kleinen, was die Union im Großen in diesem Wahlkampf plagt. Zwischenzeitlich sah es nicht so schlecht aus, dann aber wurden Stimmung und Großwetterlage zusehends unfreundlicher. Immer neue Widrigkeiten taten sich auf. Nichts belegt die schwierige Lage deutlicher als der Umstand, dass sich die präsidial regierende Kanzlerin in dieser Woche dreimal in die Niederungen des Wahlkampfs herablässt. Zuerst hier in Stralsund, dann in München und in Aachen. Eigentlich wollte sich Merkel dem Wahlkampf großteils entziehen. Aber der Zustand der Union lässt das nicht zu. Sie ist eine der letzten Patronen im Arsenal der Parteienfamilie.