Eine Welle des Populismus droht in den USA, wichtige Sachdebatten zu ertränken.
Die Welt kann so einfach sein: Barack Obama ist in Wahrheit ein Moslem – ein Agent der al-Qaida quasi. Er hasst die Weißen und ist nur Präsident geworden, um seinen sinistren Plan zur Vernichtung der USA in die Tat umzusetzen. Und dabei ist er auf gutem Weg: mit seiner „sozialistischen“ Gesundheitsreform und seiner Hilfe für Homosexuelle, Banker, Einwanderer und alle anderen, die Amerika in Chaos und Unmoral stürzen wollen.
Die Verschwörungstheorien, die in den USA grassieren, werden immer grotesker. Aufgekocht werden solche Gerüchte in den PR-Kesseln der „Tea-Party“, einer Protestbewegung, die gegen Obama, die Demokraten und moderate Republikaner zu Felde zieht.
Und der plumpe Populismus der „Tea Party“ färbt auf die anderen ab. Die Form der politischen Auseinandersetzung hat zwei Wochen vor den Kongresswahlen einen neuen Tiefpunkt erreicht. Dabei gäbe es wichtige Themen zu diskutieren: Die Staatsverschuldung wächst in schwindelerregende Höhen. Und auch die Republikaner haben bisher keine wirklich überzeugenden Rezepte dagegen vorgelegt. Sie müssen achtgeben, dass ihre Sachkompetenz nicht völlig vom populistischen „Plumpismus“ ihrer „Tea Party“-Aktivisten zugeschüttet wird. Was ihnen den Wahlsieg kosten und Obama doch noch einmal mit einem blauen Augen davonkommen lassen könnte.
Die Enttäuschung darüber, dass auch er nur ein normaler Präsident ist und kein moderner Heilsbringer, wächst. Um diesem Unmut beizukommen, wird „positiver“ Populismus a la „Yes-We-Can“-Parolen nicht reichen.
wieland.schneider@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2010)