Phil Waldeck

Porsche 911: Wenn wir so lenken und an nichts denken

Eine Ausfahrt mit Phil Waldeck, seit 35 Jahren mysteriöser Briefeschreiber der „Autorevue“.

(c) Juergen Skarwan
(c) Juergen Skarwan

Seit 35 Jahren schreibt Philipp Waldeck monatlich einen Brief an die Leser der "Autorevue". "Wenn ich so lenk und denk an nix", lautet das Motto der Kolumne, die er am Steuer kurioser Autos diktiert.
Grob gerechnet sind bisher also mehr als 400 Kolumnen erschienen, jede einzelne ein literarisches Kleinod. Denn Phil Waldeck kann ziemlich gut schreiben. Das hat mit dem Mann zu tun, der hinter dem Pseudonym steckt: Helmut A. Gansterer, dem man in der Branche schon vor Jahrzehnten auf Lebenszeit den Titel "Edelfeder" verliehen hat.
Gansterer war mit zarten 30 Jahren Chefredakteur des Wirtschaftsmagazins "Trend", als 1976 erstmals ein gewisser Phil Waldeck in der Mai-Ausgabe der "Autorevue" schrieb. Damals über die Cabrioversion des Jaguar E-Type.
Ein Jahr später, im Rhythmus der Natur, erschien der zweite Beitrag: "Die gute kalte Zeit", eine Hymne an die Cabrios. 1986 verpflichtete Langzeitchefredakteur Herbert Völker den "glücklich dahergelaufenen Mitarbeiter" zur dauerhaften Kolumne in der "Autorevue", seither schreibt Waldeck in jeder Ausgabe auf zwei Seiten den sogenannten "Wanderbrief" an die Leser. Dass in Wahrheit "Trend"-Chefredakteur Helmut Gansterer Philipp Waldeck ist, war lange Zeit ein gut gehütetes Geheimnis.

In den Kolumnen geht es natürlich immer um Autos, meist um Cabrios, denen Waldecks automobile Liebe gehört, manchmal um die Familie (jüngst hat er enthüllt, dass er Opa wird) und oft schenkt Waldeck unseren Freunden und Helfern ein Dankgedicht wohl auch dafür, dass sie ihn auf seinen Testfahrten nicht allzu streng beurteilen. Wie diesen Haiku von Meister Issa: Bist du recht freundlich/Werden sie auf dich scheißen/Die Spatzenkinder.

Uns haben die Spatzenkinder verschont, obwohl es eine ausgesprochen freundliche Ausfahrt in einem noch dazu offenen Auto war. Ein Tag mit Helmut Gansterer klebt wie eine Blaue Mauritius im Album der Erinnerungen (das haben wir von ihm gestohlen) und ein Gespräch mit ihm ist so mühelos und aerodynamisch wie der CW-Wert eines Bugatti Chiron (das auch).
Wir fuhren in einem Porsche 911 Targa 4S durchs Weinviertel und endeten in einem feinen Lokal, an dem die Donau so langsam und bedächtig vorbeifließt, wie der Mississippi an New Orleans. Die Ausfahrt endete ohne ein Dankgedicht an die Polizei, weil wir keine sahen. Der Porsche blieb beim Gasthaus stehen.

Woher kommt der Name Phil Waldeck?
Vom Medienmanager und Komponisten Helmut Hanusch. Er wohnte einst in Neuwaldegg, daher Waldeck, und sein Sohn heißt Philipp.

(c) Juergen Skarwan

Warum überhaupt ein Pseudonym?
Weil ich vorhatte, in der "Autorevue" anders zu schreiben als im "Trend": Viel lockerer und frecher, als das in einem Wirtschaftsmagazin angebracht war. Eine Überlegung war auch, dass möglicherweise die Stammleser des "Trend" diese Schreibweise nicht akzeptieren würden und ich als Chefredakteur an Seriosität verlieren könnte.Hat es sich vielleicht auch für den Chefredakteur eines Wirtschaftsmagazins nicht geziemt, sich für Autos zu interessieren?
Nein, keineswegs. In den frühen 1970er-Jahren waren ja noch alle von Autos begeistert. Auch jeder "Trend"-Leser hatte sein Lieblingsauto. Einen Chefredakteur ohne ordentliches Auto hätte man als temperamentlos, wenn nicht blutleer angesehen. Man akzeptierte sogar meinen roten Mercedes 300 SL der sicher aufhauerischste Dienstwagen, den sich je ein Journalist von seinem Verlag erbeten hatte.

Heutzutage ist es ja nicht mehr schicklich, sich für Autos zu begeistern.
Das mag sein. Ich halte es aber für sachlich falsch, auch für feig und verlogen. Oder für schlecht informiert. Manche Umweltbewegte glauben, mit ihrem niedergerittenen Citro n 2CV die Welt zu säubern, weil der kleine Zweizylinder nur 16 oder 26PS hat. Er stößt aber mehr Schadstoffe aus als ein neuer Porsche 911.

Wo steht Phil Waldeck in der Diskussion über die Zukunft des Autos?
Ich habe aus Protest gegen die heutige puritanische, korrektheitshysterische Welt provoziert, obwohl ich im Grunde meines Herzens ein sehr ausgleichender Charakter bin. Mittlerweile bin ich vermittelnder. Ich war früher beispielsweise radikal für den Verbrenner, jetzt sehe ich die Vorzüge und die Nachteile der verschiedenen Antriebsarten viel nüchterner.

(c) Juergen Skarwan

Wenn wir schon beim Thema sind: Nun sag, wie hast Du s mit der Elektromobilität?
Wie schön, dass Du für diese Frage eine Schlüsselstelle in Goethes "Faust" bemühst. Sie spiegelt meine gegenwärtige Unschlüssigkeit, beinah eine Schizophrenie. Mein Herz ist oldschool. Es wünscht den E-Motor zum Teufel und dem Verbrenner das ewige Leben. Die Seele aber wünscht sich eine interessante Lebenszeit und damit ständige Neuerung, in dem Fall die Elektrifizierung. Aber ich würde nie ein Elektroauto, auch nicht den Porsche Taycan, für längere Reisen nehmen. Ich hätte immer Bauchweh, wie weit ich damit komme, ob ich eine freie Ladestation finde, wie lang ich warten muss, bis er wieder aufgeladen ist. Für mich käme nur ein Elektroauto allein jetzt noch nicht infrage, ich hätte immer ein wenig Gastritis.Aber die E-Autos, gerade der Porsche Taycan, machen schon Spaß beim Fahren.
Der von Dir genannte Taycan sicher. Er wirkt wie von Miraculix mit Zaubertrank gelabt. Ich vertrete hier insgesamt eine ziemlich lauwarme Position: Auf der Kurz- und Mittelstrecke gern Elektro, auf der Langstrecke Verbrenner.

Zurück zu Phil Waldeck: Wie entstehen die Kolumnen? Lang überlegt und geplant oder unter Druck in den letzten Stunden vor dem Abgabetermin?
Trotz meiner Kraftfahrzeug-HTL-Ausbildung in Mödling entstehen sie nicht auf dem Reissbrett. Eher in der geistigen Leere eines Zenschülers, der ich auf vielen Fernostreisen geworden bin. Und eher sehr spät, kurz vor der Manuskriptabgabe.

Wie und wo entstehen die Kolumnen?
Dafür gibt es nur eine Regel: im Stehen. Außer, wenn s ganz eilig wird, im Gehen, als Diktat. Alles andere hat sich als fruchtlos erwiesen. Ich war jahrzehntelang ein Nachttier, viele Texte sind an der Theke einer Bar entstanden. Aber ohne Glas in der Hand. Erst das fertige Werk wird gefeiert. "Don t drink and write", predigte ich meinen Studenten am Publizistikinstitut der Uni Wien.

Wird es auf Dauer schwieriger, die Kolumnen zu schreiben?
Ich glaube nicht, dass die Schreibkunst im Alter abnimmt. Man wird eher besser, wie Ernest Hemingway. Als ich noch mehr Reporter war, war er mein Säulenheiliger. Ich bekenne, jedes karibische Schreibpult von Ernest Hemingway aufgesucht zu haben, von Havanna bis Key West. Einmal habe ich an einer seiner Schreibmaschinen geschrieben, in der Hoffnung, dass vielleicht etwas abfärbt.

(c) Juergen Skarwan

Es scheint gewirkt zu haben. Man spricht von Helmut Gansterer als der Edelfeder Österreichs.
Meine Eltern hätten erwartet, dass ich diesen Spitznamen ablehne. Ich habe das nicht getan, weil er mir eh gefällt, ich halte ihn nur für übertrieben. Ich kenne viele andere, ausgezeichnete Schreiber, manche gefallen mir sogar besser. Lieber trag ich den Spitznamen "Allzweckwaffe" so, wie es bei Goethe heißt: Er hat auch in die seichtesten Bäche seine Mühlen gestellt.

Liest Du alte Texte?
Natürlich nicht. Das Risiko ist zu groß. Entweder frage ich mich, wie ich so Schlechtes zum Druck geben konnte. Oder noch schlimmer, ich erkenne, dass ich früher schon einmal besser war als heute.

Welches der vielen Autos hat den meisten Eindruck hinterlassen?
Ganz entschieden das 911 Cabrio von Porsche. Da bin ich in einem nicht mehr zulässigen Maß ein Patriot. Seit Jahrzehnten häkel ich die Stuttgart-Zuffenhausener mit dem Satz: "Der 911 ist im Wesentlichen ein österreichischer Schuh, den die deutschen Freunde unermüdlich putzen." Dahinter gibt es eine ganze Reihe von Autos vieler verschiedener Hersteller.

Und die schönsten automobilen Erlebnisse?
Es gab viele. Ich erinnere mich zum Beispiel an einen VW Buggy, in dem ich auf der brasilianischen Insel Ithaparica über die Dünen gebraust bin, wie das Vorbild Steve McQueen in "Thomas Crown ist nicht zu fassen". Ein sagenhaftes Gefühl von Freiheit, aber nach heutigen Maßstäben völlig unkorrekt, weil auch riesige Vogelschwärme keppelnd aufflatterten. Vom Erlebnis her war der Jaguar C-Type ein Traum, den ich auf der Ennstal Classic fuhr. Aber nicht irgendeinen. Es war der Originalsiegerwagen von Le Mans 1952. Natürlich unendlich wertvoll, ein Albtraum für alle Versicherungen. 280PS auf 800Kilogramm Leergewicht, ein unsynchronisiertes Getriebe und Trommelbremsen. Wir hatten ihn wieder heil zurückgebracht, wofür uns nicht nur die Mitarbeiter vom Jaguar-Museum applaudierten, sondern auch unser Stallgefährte Sir Stirling Moss, der nur einen Jaguar XK 150 pilotierte. In der Nacht sind wir mit dem C-Type wie mit einer senkrecht aufgestellten Soundsäule durchs Ennstal gefahren. Man sah, wie in den Häusern ein Licht nach dem anderen anging. Entsetzte Menschen im Nachthemd sind herausgeflattert und haben geschaut, was da los ist.

»Ich liebe den 2CV. ich fahre ihn, wenn ich viel zeit habe.«

Das schafft man mit den heutigen Motoren nicht mehr.
Ich bin ein sehr maßvoller Mensch und weiß, dass die heutige Zeit etwas ganz anderes verlangt. Wenn ein Vierzylinder so gut ist, wie der im Porsche Boxster warum nicht, wenn er weniger verbraucht und weniger Dreck macht. Ich will ihn nicht in einem 911er haben, aber in einem Boxster passt er. Der Boxster ist eh unterschätzt, er setzt ja mit dem Mittelmotor beim allerersten Porsche an dem 356/1, den ich sogar einmal fahren durfte.Was überwiegt bei der Fahrt mit einem so historischen Auto: Die Freude, es fahren zu dürfen, oder die Sorge, es kaputtzumachen?
Schon die Freude. Ich hab einmal Tobias Moretti gefragt, wie es ihm geht, wenn er im Film über die nackte Veronica Ferres herfällt. Was machst Du da als Gentleman: Augen zu und durch? Und er hat geantwortet: Augen auf und durch!

Du hattest ja einen luftgekühlten 911er und hast ihn verkauft. Weinst Du heute noch heimlich darüber unter der Bettdecke?
Nein. Andernfalls wären alle Leintücher waschelnass, auch wegen anderer Schönheiten, die meine Garage wieder verlassen haben. Ich bereue nichts, auch wenn ich alle meine Darlings, darunter einen Jaguar E-Type und mehrere Triumph TR und den faszinierend schönen Alfa Romeo Touring 2000 immer zu teuer gekauft und zu billig verkauft habe. Der luftgekühlte Elfer ist, glaube ich, mein einziges gutes Geschäft gewesen.

(c) Juergen Skarwan

Gab es nie eine emotionale Beziehung zu einem Auto?
Ich bin ja fast ein schwachsinniger Verliebter, was das Auto betrifft. Mir ist jedes Auto das liebste, das ich mir gerade anschau und mit dem ich fahre. Aber ein extremes Herzibinki war natürlich das erste Auto, der froschgrüne Renault 4 CV. An ihn erinnere ich mich schärfer als an die freundliche Dame, die mir einst die Unschuld geraubt hat.Von diesem 911 Targa, mit dem wir die Ausfahrt machen, werden wir uns auch schwer wieder trennen.
Er ist, sowohl als Targa als auch als Cabrio, der schönste Porsche-Einbaum ever. Der Targa hat für mich aber zu wenig Open Air. Am liebsten mag ich meine Autos ganz offen. Grundsätzlich gilt: Cabriofahrer sind die besseren Menschen, weil man mit der Umwelt viel enger verbunden ist. Man ist geradezu gezwungen, ein freundliches Gesicht zu machen, weil man dauernd in der Auslage steht.

In Österreich ist ein Cabrio doch recht unpraktisch: Neun Monate im Jahr ist es zu kalt für ein offenes Dach, zwei Monate ist es so heiß, dass man die Klimaanlage braucht bleibt eigentlich nur ein Monat, in dem man wirklich entspannt offen fahren kann.
Das sind alles gute Argumente. Aber auch hier gilt: Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur falsche Kleidung. Im Winter macht es mir eine besondere Freude, den Anorak anzuziehen und mit der Haube auf dem Kopf mit offenem Dach zu fahren. Das erschreckt die Mitmenschen und macht mir wiederum eine diebische Freude.

Dafür braucht man aber keinen Porsche mit 450 PS, da kann man auf 430 PS verzichten und mit einem Citro n 2CV fahren.
Warum auch nicht? Ich liebe den 2CV, ich fahre den "Döschwo" zwischendurch nach wie vor gern, wenn ich gerade viel Zeit habe. Bei den starken und teuren Boliden geht s aber um etwas anderes. Es geht da um Exzellenzkultur. Die Wirtschaftsforschung kennt den Satz: Die preiswerten Durchschnittsprodukte schenken uns Bestand, die elitären Produkte schenken uns Wert.

»Ich war früher radikal für den Verbrenner.«

Das Problem bei einem Porsche ist ja, dass ihn sich viele erst in reiferem Alter leisten können und dann sind sie in einem 911er ein Verkehrshindernis.
Nicht wahr! Ich kenne keinen älteren Sportwagenfahrer, der eine rollende Schikane wäre. Aber man muss ja auch nicht schnell fahren, um Freude am Fahren zu haben. Es ist legitim, so ein Auto weit unter seinen Möglichkeiten genussvoll zu fahren.Es bleibt einem immer noch der Neid, den viele wegen des Autos haben.
Den Neid gibt es nicht nur in Österreich, der ist universell. Auch ich hatte schon Situationen, in denen ich für einen Moment das Gefühl des Neids verspürt habe.

(c) Jürgen Skarawan

Die schönste Art des Fahrens

Helmut Gansterer ein neidiger Mensch das passt irgendwie nicht zum hedonistischen Lebensbild.
Ich beneide mich selbst am meisten, weil ich so ein wunderbares Leben habe. Dafür habe ich eine ausgeprägte Dankbarkeit. Ich bin durch Zufall in meinen Idealberuf Journalist gerutscht. Es hat seither keinen Tag gegeben, an dem ich mir nicht gesagt habe, was für ein Glück ich habe, wie privilegiert ich bin. Und ich weiß, dass das alles nichts wert ist, wenn ich ein unanständiger Mensch wäre.Mit dem neuen Targa knüpft Porsche gekonnt an das Urmodell an.

Name : Porsche 911 Targa 4S (992)
Preis : 180.253 Euro
Motor : Sechszylinderboxermotor
Hubraum : 2981 ccm
Leistung : 450 PS
Gewicht : 1640 kg
0 100 km/h : 3,8 Sekunden
Vmax : 304 km/h

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