Konjunktur

Deutscher Industrie droht "Flaschenhals-Rezession"

(c) Bloomberg (Liesa Johannssen-Koppitz)
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Der Ifo-Geschäftsklimaindex sank wie erwartet, das Konjukturbarometer fiel zum dritten Mal in Folge. Die Lieferengpässe setzen die deutsche Wirtschaft verstärkt unter Druck.

Die Lieferengpässe als Folge der Coronakrise setzen die deutsche Wirtschaft verstärkt unter Druck. Die Stimmung in den Chefetagen der Firmen verschlechterte sich im September zum dritten Mal in Folge - was bei Experten als Signal für eine konjunkturellen Trendwende gilt. Der Ifo-Geschäftsklimaindex sank wie von Ökonomen weitgehend erwartet um 0,8 auf 98,8 Punkte, wie das Münchner Wirtschaftsforschungsinstitut am Freitag zu seiner Umfrage unter 9000 Managern mitteilte. "Die Probleme bei der Beschaffung von Rohstoffen und Vorprodukten bremsen die deutsche Konjunktur", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. "Die Industrie erlebt eine Flaschenhals-Rezession." Insgesamt beurteilten die Führungskräfte ihre Lage und die Geschäftsaussichten skeptischer als zuletzt.

Der Höhenflug des Ifo-Geschäftsklimas sei zu Ende und der Index nach drei Rückgängen in Folge nun auf einen Abwärtstrend eingeschwenkt, sagte DekaBank-Experte Andreas Scheuerle. Vor allem die Liefer- und Transportengpässe bremsten die Industrie. "Die Hoffnung, die man noch vor einem halben Jahr hatte, dass sich die Fesseln im zweiten Halbjahr lockern, sind verflogen." Zudem laufe der "Aufholboom nach dem Ende des Lockdowns aus", weshalb die Dienstleistungsbranchen für weniger Schwung sorgten. "Es dürfte uns damit ein schwieriges viertes Quartal ins Haus stehen, in dem die Lieferketten-Thematik Corona als Hauptrisiko sogar ablösen könnte", sagte LBBW-Analyst Jens-Oliver Niklasch.

Lager leergefegt

Auch das Ifo-Institut gibt hier noch lange keine Entwarnung. "Die Beschaffungskrise wird mindestens bis zum Ende des Jahres anhalten", sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe im Reuters-Interview. "Der Peak ist noch nicht überschritten." Die schlechte Verfügbarkeit von elektronischen Komponenten werde sich wohl noch hinziehen. "Fast 80 Prozent der Industriebetriebe klagen über Engpässe bei Vorprodukten." Im Vormonat waren es noch 70 Prozent, im Juli 64. "Die Lager der Unternehmen sind leer gefegt." Die Industriebetriebe planten, ihre Preise zu erhöhen und die gestiegenen Kosten so an die Kunden weiterzureichen. Auch der große Optimismus bei den Erwartungen der Industrie aus dem Frühjahr ist laut Ifo fast verschwunden.

Im Dienstleistungssektor hellte sich das Klima auf - wegen besserer Erwartungen. "Im Gastgewerbe und Tourismus ist nach der großen Skepsis im Vormonat eine gewisse Zuversicht zurückgekehrt", betonte Fuest. In der Logistik jedoch trübten sich die Aussichten ein, im Gleichklang mit der Industrie. Im Handel stagnierte die Stimmung weitgehend. "Eine große Mehrheit der Händler berichtete von Lieferproblemen bei der Beschaffung." Im Bauhauptgewerbe verbesserte sich das Geschäftsklima deutlich. Die Beurteilung der Lage stieg laut Ifo auf den höchsten Stand seit März 2020. Auch die Erwartungen hellten sich auf. Im Juli fuhren die Betriebe zwar einen Auftragsrekord für den Monat ein, aber die Umsätze lagen zwei Prozent unter Vorjahr. Wegen der um vier Prozent gestiegenen Baupreise infolge der Materialknappheit ergibt sich laut Bauverband ZDB inflationsbereinigt daraus sogar ein Minus von sechs Prozent.

Die deutsche Wirtschaft war wegen der Corona-Krise Anfang des Jahres um zwei Prozent geschrumpft, dann aber im Zuge der Lockdown-Lockerungen im Frühjahr um 1,6 Prozent gewachsen. Trotz der Lieferengpässe gehen viele Ökonomen davon aus, dass sich das Wachstum im laufenden Sommer-Quartal beschleunigt haben dürfte. Das Kieler IfW-Institut etwa erwartet, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 2,2 Prozent zum Vorquartal zulegt. Langfristig dürfte der demografische Wandel das Wachstum der Wirtschaft spürbar bremsen, erklärten die Forscherinnen und Forscher. "Deutschland wird alt, das schlägt auf den Arbeitsmarkt durch und kostet Wirtschaftskraft."

(Reuters)

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