Lando Norris schien in Sotschi auf der Siegerstraße, doch Regen und sein geplatzter Reifenpoker kosteten dem McLaren-Piloten den Erfolg. Profiteur ist Lewis Hamilton, der mit seinem 100. GP-Sieg wieder die WM anführt.
Sotschi. Wer einen Formel-1-GP anführt und den Sieg vor Augen hat, will nichts von Funksprüchen oder gar Boxenstopps wissen. Rennfahrer sind Alphatiere, das Gewinnen ist ihr einziges Ziel. Und aus dieser Sicht hatte der Brite Lando Norris in Sotschi auch alles richtig gemacht: Der McLaren-Pilot fuhr nicht an die Box, blieb trotz einsetzenden Regens mit glatten Reifen auf der Strecke. Gleiches wollte auch sein Verfolger, Lewis Hamilton, tun. Doch er wurde von seinen Technikern, womöglich sogar von Toto Wolff, in Aussicht des 100. Sieges und der WM-Führung zur Räson und dem Reifenwechsel gerufen.
Es war die richtige Entscheidung. Norris, der das Rennen dominiert hatte, kostete sein Instinkt den Erfolg. Er begann zu rutschen, musste doch die Reifen tauschen und fiel zurück. Während er Siebenter wurde, fuhr Hamilton zum Jubiläumscoup.
Acht Sotschi-GP, acht Siege
Der Brite ist der erste F1-Pilot, der hundert Siege feiern konnte, und ist nach dem 15. (von 22) Saisonrennen wieder WM-Führender. Hinter ihm fuhr Max Verstappen – der RB-Pilot war als Letzter gestartet – auf das Podest. Dritter wurde Carlos Sainz (Ferrari).
Bei noch sieben ausstehenden Rennen führt Hamilton nun hauchdünn mit zwei Punkten vor Verstappen und hat wieder beste Chancen auf den achten Fahrertitel. Es war zudem der achte Mercedes-Sieg im achten Sotschi-Event. Vom Meilenstein beeindruckt dankte der Brite, 36, vor allem zuerst „jedem Arbeiter in der Fabrik in Brackley. Ohne sie wäre ich heute nicht da, wo ich stehe. Es hat lang gedauert bis zu diesem Sieg. Wir sind eine tolle Mannschaft, das macht mich stolz.“
Die Kraft der Papaya
Trotzdem: McLaren schrieb die wahre Geschichte dieses Rennens. Der Sieg in Monza durch Daniel Ricciardo hatte dem Traditionsrennstall die lang erhoffte Selbstbestätigung geliefert. Infrastruktur, Arbeitsaufteilung und Rennwagen (Motor von Mercedes) funktionieren, dafür haben der bayrische Teamchef, Andreas Seidl, und CEO Zak Brown nach einem Jahrzehnt katastrophaler Managementfehler und sinkender Einnahmen nach ausbleibenden Erfolgen gesorgt.
Ob es nach der Pole-Position und der grandiosen Fahrt von Norris nicht ein verlorener Sieg war? Mercedes schaffte es (trotz Protests des Rennfahrers), Hamilton hereinzubeordern. McLaren, das Team ist seit zwei Jahren wieder in der Lieblingsfarbe (Papaya) von Gründer Bruce McLaren unterwegs, hingegen scheitert daran, einen 21-Jährigen zu kontrollieren. Er behielt Willen und Pneus – und wurde dafür bitter bestraft. Seidl, der aus dem Tourenwagensport kommt und als „Teamplayer“ gilt, wird Norris die Sachlage vorlegen. Lernt er seine Lektion, ist der nächste McLaren-Sieg nur noch eine Frage der Zeit. (fin)
F1-Grand-Prix von Russland
1. Lewis Hamilton ( GBR) Mercedes 1:30:41,001
2. Max Verstappen (NED) Red Bull +53,271
3. Carlos Sainz (ESP) Ferrari +1:02,475
Weiters: 4.Ricciardo (AUS) McLaren 5. Bottas (FIN) Mercedes 6. Alonso (ESP) Alpine 7. Norris (GBR) McLaren 8. Räikkönen (FIN) Alfa Romeo 9. Perez (MEX) Red Bull 10. Russell (GBR) Williams.
Fahrer-WM: Hamilton 246,5 vor Verstappen 244,5, Bottas 151 und Norris 139.
Konstrukteurs-WM: 1. Mercedes 397,5 2. Red Bull 364,5 3. McLaren 234 4. Ferrari 216,5.
Nächster GP: Türkei, 10. Oktober in Istanbul
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2021)