Das Kanzleramt blieb Annalena Baerbock versagt. Patzer kosteten sie einen größeren Wahlsieg. Ihrem Co-Chef winkt ein Schlüsselressort.
Beim Wahlkampffinale in Düsseldorf, die mit einem Demonstrationszug der Friday-for-Future-Bewegung zusammenfiel, haute Robert Habeck in seiner Rede groß auf die Pauke. Unweigerlich kam erneut die Frage auf, ob der charismatische Co-Chef als Spitzenkandidat nicht ein größeres Potenzial ausschöpfen hätte können als Annalena Baerbock – und vielleicht sogar Scholz oder Laschet am Ende ausgestochen hätte.
Der Jubel am Wahlabend war schaumgebremst. Die Grünen haben zwar gegenüber 2017 kräftig zugelegt und standen als ein Wahlsieger da, aber eben nicht als großer Gewinner. Ursprünglich zum Duell zwischen Union und Grünen stilisiert, fielen sie schließlich im Dreikampf um die Macht in den letzten Wochen zurück – klar unter die 20-Prozent-Marke, über die die Ökopartei in den vergangenen Jahren gesprungen war. Baerbocks Patzer und Pannen hatten ihr entscheidende Punkte gekostet. Die 40-Jährige hatte außer ihrer Funktionärskarriere keine Regierungsverantwortung vorzuweisen, die Deutschen trauten ihr die Kanzlerschaft mangels Erfahrung nicht zu.
So sehr die Grünen im Westen der Republik punkten konnten, so sehr blieben sie im Osten – einem traditionell schwierigen Terrain – hinter den Hoffnungen zurück. Die Spitzenkandidatin, die aus Niedersachsen nach Brandenburg zugewandert war, konnte da auch nichts ausrichten. Zudem mag den Deutschen gedämmert sein, dass eine grüne Kanzlerin ihnen im Kampf gegen den Klimawandel wohl zu viel abverlangen würde.
Eine Regierungsoption scheint den Grünen indes in jeder Variante sicher – ob bei einer Jamaika-, Ampel- oder Linkskoalition. Zuletzt signalisierten sie eine Präferenz für eine Ampel unter Führung von Scholz, in der Robert Habeck zum Finanzminister avancieren könnte – ein Trostpreis für den 52-jährigen Philosophen und Autor, der zur bestimmenden Kraft in seiner Partei aufsteigt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2021)