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Der XL-Bundestag wird noch ein wenig größer

Für die vielen Abgeordneten und ihre Mitarbeiter reicht das alte Parlamentsgebäude schon längst nicht mehr aus.
Für die vielen Abgeordneten und ihre Mitarbeiter reicht das alte Parlamentsgebäude schon längst nicht mehr aus.REUTERS
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Dem neuen Bundestag werden nochmals mehr Abgeordnete angehören als dem alten. Und schon dieser hatte eine Rekordgröße. Es hätte noch schlimmer kommen können. Das weitere Anwachsen hat Folgen.

735 Abgeordnete - es hätte schlimmer kommen können. Gemessen an Befürchtungen, der neue Deutsche Bundestag könne 800, 900 oder gar 1000 Abgeordnete stark werden, hält sich der Zuwachs um 26 Parlamentarier in Grenzen. Doch der ohnehin schon größte Bundestag aller Zeiten ist damit noch ein wenig größer geworden.

Die Entwicklung

Seit der Wahl 2002 gilt eine Sollgröße von 598 Abgeordneten. Mit 603 Mitgliedern lag das Parlament damals noch ziemlich nah an dieser Zahl. Seitdem wurde es aber immer größer, wuchs auf 614 Abgeordnete (2005), 622 (2009), 631 (2013), 709 (2017) und jetzt eben 735.

Die Ursachen

Die wesentliche Ursache hierfür liegt im Wahlrecht. Der Bundestag wird nach dem personalisierten Verhältniswahlrecht gewählt. Dazu ist Deutschland in 299 Wahlkreise eingeteilt. Mit der Erststimme wird in jedem Wahlkreis ein Kandidat direkt gewählt. Mit der Zweitstimme werden Parteien gewählt, die dazu Listen aufstellen. Im Idealfall kämen so zu den 299 Direktmandaten nochmals 299 Listenmandate hinzu.

Das Zweitstimmergebnis entscheidet über die Stärke der Parteien im Bundestag. Aber: Gewinnt eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate als ihr nach dem Zweitstimmergebnis zustehen, darf sie diese behalten. Durch diese sogenannten Überhangmandate steigt die Zahl der Abgeordneten schon mal. Und sie steigt weiter, weil die zusätzlichen Mandate durch Ausgleichsmandate für die anderen Parteien kompensiert werden. So sollen sich die Mehrheitsverhältnisse aus den Zweitstimmergebnissen auch tatsächlich im Parlament abbilden.

Die Arbeitsweise des Parlaments

Für Fachleute steht fest: Mehr Abgeordnete bedeuten nicht gleich bessere Arbeit. "Die Regelgröße 598 ist mit Bedacht gewählt worden, und soll vor allem einen möglichst effizienten und reibungslosen Ablauf der parlamentarischen Arbeit garantieren", sagt der Wahlforscher Robert Vehrkamp von der Bertelsmann Stiftung. "Zu große Fraktionen, Arbeitsgruppen und Ausschüsse erschweren die Abläufe und machen die parlamentarische Arbeit schwerfälliger."

Ein Blick auf die Zahlen zeigt, was der Wissenschafter meint: Ein wichtiges Gremium wie der Innenausschuss war schon bisher ein Miniparlament aus 45 ordentlichen und weiteren 45 stellvertretenden Mitgliedern. Soll er wirklich noch größer werden?

Das Raumproblem

Mehr Abgeordnete brauchen auch mehr Platz. Gerade wird in der Nähe des Reichstags ein neues Bürogebäude in moderner Modulbauweise aus Holz und Stahl errichtet. Für veranschlagte 70 Millionen Euro entstehen 400 Büros, die zum Jahresende bezugsfertig sein sollen. Bis dahin muss improvisiert werden. Jeder und jedem Abgeordneten steht für sich und Mitarbeiter eine Bürofläche von 54 Quadratmetern zu.

Noch größer wird das Platzproblem im Plenarsaal. In ihn passen durch Zusammenrücken zwar auch 1400 Menschen, wie die Bundesversammlung im Februar 2017 gezeigt hat. Unter Corona-Abstandsregeln ist laut Bundestagsverwaltung aber nur Platz für maximal 340 Abgeordnete. Selbst für die Normgröße von 598 Abgeordneten ist der Plenarsaal also zu klein, wenn alle Abgeordnete an einer Sitzung teilnehmen wollen.

Für die konstituierende Sitzung gibt es bereits einen Plan B: Sie wird wohl in die wesentlich größere Halle des Paul-Löbe-Hauses verlegt, ein Bundestagsgebäude in unmittelbarer Nähe zum Reichstag.

Die Mehrkosten

Mehr Abgeordnete kosten auch mehr Geld. So erhält derzeit jeder Parlamentarier eine Abgeordnetenentschädigung von 10.012,89 Euro und eine steuerfreie Aufwandsentschädigung von 4.560,59 Euro im Monat. Allein dies macht im Jahr knapp 175.000 Euro aus. Dazu kommen Kosten für die Mitarbeiter von Abgeordneten und Fraktionen, für Dienstreisen und Sachleistungen sowie noch ein paar Posten mehr.

Der Bund der Steuerzahler hat errechnet, dass allein diese aktiven mandatsbezogenen Kosten bei jährlich 765.000 Euro je Abgeordnetem liegen. Die Organisation hält selbst die Normgröße von 598 Abgeordneten für übertrieben und plädiert für 500. Sie hat deshalb eine Petition "Schluss mit dem XXL-Bundestag!" gestartet.

Das weitere Vorgehen

Die Hoffnungen liegen jetzt auf der "Kommission zur Reform des Bundeswahlrechts und zur Modernisierung der Parlamentsarbeit", die der alte Bundestag schon eingesetzt hat. Der neue Bundestag muss sie nochmals bestätigen.

(APA/dpa)

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